Ich brach schweren Herzens aus Istanbul
wieder auf, allerdings auch mit dem Ziel, in Belgrad meinen
Lieblingscouchsurfer zu treffen, demzufolge freute ich mich auch auf
meine nächste Station. Am Bahnhof erfuhr ich, dass es den von
bahn.de angezeigten Direktzug nach Belgrad nicht gab. Existierte
einfach nicht. Nun gut, also auf einen Anschluss in Sofia warten.
Allerdings gab es streng genommen auch keinen Zug nach Sofia. Es gab
einen Bus bis zur bulgarischen Grenze und von dort einen Zug nach
Sofia. Ich kaufte mir einen Balkan-Flexi-Pass (5 Tage quer durch die
Türkei, Griechenland, Rumänien, Serbien, Kroatien, Mazedonien und
Montenegro für 50 Euro!) und einen Aufschlag für den Nachtzug, was
ich später noch ein wenig bereute. Als der Bus für eine Pause
hielt, quatschte ich einen jungen Tschechen mit einem T-Shirt von
einem Klagenfurther Ruderwettbewerb an – ich dachte, er wäre
Österreicher und ich könnte Deutsch mit ihm reden, ich war nämlich
ziemlich müde und da fand ich das einfacher. Er stellte sich also
als Tscheche heraus und verriet mir bereits, dass es keinen
Anschlusszug in Sofia geben würde. Was ich ihm natürlich zunächst
nicht glaubte. Schließlich meinte bahn.de... Aber lassen wir das.
Der Bus hielt schließlich nachts um
zwei am Grenzbahnhof, wir stiegen aus und schnappten unser Gepäck
und kampierten auf dem Bahnsteig. Denn Der Zug würde erst nach vier
Uhr eintreffen. Das ist auch der Grund, warum ich es bereute, mit der
Nachtzugkarte. Andererseits, so habe ich wenigstens ein paar Stunden
geschlafen. Ich spielte mit dem Tschechen Dame, ich glaube, er schlug
mich mehrmals und hing todmüde herum. Noch dazu war es nicht
besonders warm, nachts um drei im Niemandsland zwischen der Türkei
und Bulgarien und alle waren eigentlich recht leicht bekleidet. Mir
ging alles auf die Nerven und so war ich froh, als der Zug einfuhr.
Mit mir im Abteil ein paar britische Mädels, die sehr aufgeregt
waren – ihre erste Nachtzugreise. Ich war weniger aufgeregt,
sondern einfach nur müde und schlief durch. Bis der Schaffner
irgendwann hielt und meinte: „Sofia!“. Ich versuchte die
allgemeine Panik etwas zu dämpfen, in dem ich darauf hin wies, dass
man immer eine halbe Stunde vor Zugeinfahrt geweckt würde. Wurden
wir aber nicht. Zum Zeitpunkt, als der Schaffner an die Abteiltür
klopfte, standen wir im Hauptbahnhof Sofia. Und er wollte uns nun
möglichst schnell aus dem Zug haben. Ich raffte alles zusammen und
traf in der Bahnhofshalle wieder den Tschechen und seinen ebenfalls
tschechischen Freund. Sie hatten bereits ausgecheckt, dass es keinen
Zug nach Belgrad gab, wo sie auch hinwollten.
Ich hatte bereits in
der Nacht mit dem Tschechen beschlossen, gemeinsam durch Sofia zu
streifen, wenn dem so wäre, und so taten wir das dann auch. Wir gingen Richtung Innenstadt und hielten unterwegs am Thermalbad, wo wir am Brunnen ein wenig unseren Durst stillten. Das Thermalbad selbst war natürlich geschlossen, aber bei der Hitze kam auch niemand ernsthaft auf die Idee, sich in warmes Heilwasser zu legen.
Die nächste Station war die Kathedrale, die mich beeindruckte. Eigentlich bin ich es ja leid, immer in irgendwelche Kirchen reinzugehen, die ja doch irgendwie alle gleich aussehen mit geringen Abstufungen und irgendwie zu versuchen, sich anständig zu benehmen, obwohl mir das Ganze rein gar nichts bedeutet. Ich fragte mich also mal wieder, ob ich nicht viel zu leicht bekleidet sei (in Rumänien gäbe es mit freien Schultern und ohne Kopfbedeckung zum Teil schon Ärger mit dem Priester), ging dann aber doch rein, schaute zur Decke und war beeindruckt. Ich machte die letzte Aufnahme, die meine Kamera noch hergab von dem Gemälde in der Kuppel, das einen rauschebärtigen, erleuchteten Gott zeigt, der die Arme weit ausbreitet. Es gefiel mir. Auch wenn ich wie gesagt, keinen Bezug zum Christentum und zu Gott habe, sprach es mich an in dem Moment.
Danach noch zum Stadion, vorbei an einer Art riesigem kommunistischen
Paradeplatz mit entsprechenden Denkmal - "Monument der Sovjetischen Armee", wo gerade eine Art –
aufgrund der Hitze sehr schlecht besuchte – Rave stattfand. Aus den
Boxen schallte ironischerweise in ohrenbetäubender Lautstärke „We
are the people – We got the power“. Aha. Zusammen mit den Helden des antifaschistischen Widerstands, die auf dem Denkmal dargestellt waren, gab das einen entzückenden Gesamteindruck.
(Bildquellen: http://bg.wikipedia.org/wiki/%D0%A4%D0%B0%D0%B9%D0%BB:Soviet_army_monument_in_Sofia_%28Bulgaria%29.JPG und http://en.wikipedia.org/wiki/File:Monument_to_the_Soviet_Army,_bas-relief_at_the_column_foot._3.JPG)
Nach einem ausgedehnten
Spaziergang bei gefühlten 45°C im Schatten (tatsächlich wohl etwa
zehn Grad weniger), begaben wir uns noch auf den Markt und deckten
uns mit Obst und Keksen für die Weiterreise ein. Irgendwann ging ich
dann noch allein in die Moschee und die zentrale Markthalle. Meine
Kamera streikte übrigens in Sofia, der Akku wahr leer und der
Ersatzakku in dem Rucksack, den ich bei der Gepäckabgabge im Bahnhof
gelassen hatte. Aber soviel war auch nicht zu dokumentieren in Sofia
– es war heiß und relativ menschenleer, es war ja auch Sonntag, so
weit ich mich erinnere.
Irgendwann hockten die zwei Tschechen
und ich wieder am Bahnhof und wir warteten eigentlich nur noch auf
unseren Zug. Ich hatte wieder einen Liegewaagen gebucht, die Männer
gönnten sich diesen Luxus nicht. Ich teilte mein Abteil mit einer
Japanerin, im Abteil nebenan war eine Belgraderin, mit der ich mich
auch kurz unterhielt. Sie kaufte mir in Belgrad schließlich noch
eine Fahrkarte für die Straßenbahn (die ich aber auch noch vergaß
zu entwerten) und ließ mich von ihrem Handy aus meinen Couchsurfer
anrufen. Es war früh um sechs, eigentlich hatte ich damit gerechnet,
dass der Zug früh um vier in Belgrad ankommen würde und das meinem
Gastgeber auch so geschrieben per SMS. Er war jedoch sehr verwirrt,
als er ans Telefon ging. Er sagte mir, welche Straßenbahn ich nehmen
musste und wollte mich an der Haltestelle abholen. Dort stand er dann
auch und wir gingen zu ihm, wo wir erst einmal noch ein paar Stunden
schliefen.
Die Zeit bei ihm war sehr ruhig, der
Ausklang der Reise, wenn man so will. Ich habe im Rückblick das
Gefühl, ich wäre die ganze Zeit über sehr stumm gewesen und ich
war auch einfach nur fertig nach Zügen über Zügen und immer wieder
neuen Orten, Menschen, Reisebekanntschaften. Immer wieder muss man
nett sein, etwas von sich erzählen, interessiert wirken und
freundlich lächeln. Natürlich sollte man das immer, aber auf Reisen
mit diesen Reiseabschnittsbekanntschaften ist es anstrengend, immer
wieder seine Geschichte vorzutragen, immer wieder nett zu sein, wenn
man doch eigentlich denkt: „Diese verdammten Interailer, fünfzehn
Städte zwischen Istanbul und Barcelona in zwei Wochen... Die
nerven!“ Und im Endeffekt war ich auch nur mit einer Art
Interail-Ticket unterwegs und nur, weil ich bestimmt schon über zehn
Nächte in Schlafwaagen verbracht hatte, war ich auch nicht besser
als die Leute auf Abifahrt.
Jedenfalls freute ich mich, ein
bekanntes Gesicht zu sehen, wieder bei dieser wunderbaren Familie
aufgenommen zu werden, wo ich mich einfach nur fallen lassen konnte.
Es war immer noch unerträglich heiß und so taten wir nicht viel,
außer schlafen, quatschen, drinnen rumhängen. Abends gingen wir
etwas trinken und vor meiner Weiterreise gingen wir noch zum See baden.
Leider blieb ich nur zwei Tage. Ich
wollte noch einen Zwischenstopp in Zagreb machen, ehe ich komplett
nach Hause fuhr. Von dort hatte ich ein weiteres Nachtzugticket nach
München. Und das ist dann auch die letzte Geschichte dieser Reise.
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Das einzige Bild, dass ich von Belgrad geschossen habe - der abfahrende Zug, im Hintergrund rechts noch ein bisschen Novi Beograd. Wer Bilder will, schaut sich hier die vom letzten Mal Belgrad an: http://lost-in-cluj.blogspot.de/2012/05/balkan-roadtrip-deluxe.html oder hier von einer Exkursion 2011: http://lost-my-name.blogspot.de/2011/06/belgrad-mai-2011_01.html und http://lost-my-name.blogspot.de/2011/06/belgrad-mai-2011.html. |