Montag, 5. November 2012

Berlin - ein Wochenende mit Freunden




Vor wenigen Wochen hatte ich beschlossen, nach Berlin zu fahren, um mich dort mit Freunden zu treffen und ein Theaterstück des Zürcher Hora-Theaters anzuschauen, wo eine der Freunde mal gearbeitet hat. Ich fuhr Donnerstag los und Sonntag zurück und es war schon ein wenig anstrengend, 14 Stunden zu reisen für zwei Tage Aufenthalt in Berlin. Dennoch hat es sich voll gelohnt, ich habe das Fräulein, meine Rumänien- und Istanbul-Gefährtin wiedergetroffen und natürlich viel Zeit mit meinen Freunden verbracht.

Als ich am Donnerstag spät abends in der Jugendherberge ankam, war ich zunächst allein in dem spärlich eingerichteten Dreierzimmer, in der Nacht trödelten dann aber noch meine zwei Zimmergenossinnen ein und da wir uns eine Weile nicht gesehen hatten, quatschten wir erst einmal bis um zwei. Am nächsten Morgen gingen wir gemeinsam frühstücken und das Frühstück übertraf unsere Erwartungen, die in dieser Umgebung, die doch stark an ein Schullandheim erinnerte, nicht hoch waren. Wir zerstreuten uns und für mich ging es zu einem zweiten, türkischen Frühstück nach Neuköln, wo ich das Fräulein traf. Wir tauschten uns darüber aus, was in unseren Leben so passiert war, seit wir uns das letzte Mal, in Istanbul, gesehen hatten. Dazu passte natürlich Simit und Schwarztee ausgezeichnet. Das Fräulein zeigte mir noch das alte Tempelhofer Flughafengelände, das heute eine große gemeinschaftlich genutzte Erholungsfläche ist (auf dem Bild sieht man Gleitschirme, ein Gartenprojekt und natürlich den Fernsehturm), und ihre Wohnung. Nachmittags lief ich durch Neuköln zum Maybachufer. Auf dem Markt, der dort stattfindet tauchte ich in die Gerüche ein, die von den Ständen herüberwehten – reife Ananas, orientalische Gewürze, Räucherstäbchen... Am Ende des Marktes saßen ein paar junge Menschen und machten Musik. Der Markt war gedrängt voll mit einer Mischung aus Anwohnern und Touristen, der Stadtteil war so lebendig, wie ich es selbst von Regensburg kaum kenne. Die Menschen wirkten nicht so gehetzt, wie Großstädter eben oft scheinen, und die Atmosphäre war sehr angenehm.

Danach stoppte ich noch einmal kurz im Hostel, bevor ich meine Freunde traf, mit denen ich zum Theater gehen wollte. Hora ist die einzige professionelle Theatergruppe, die aus Behinderten besteht und das Stück, welches wir sahen, trug einfach den Titel „Disabled Theater“. Ich verstand es nicht sofort als Stück und ich fand es auch nicht besonders gut, aber bei unserer späteren Diskussion in einer Kneipe verstand ich es ein bisschen besser und mir erschlossen sich noch ein paar Sachen. Es beginnt damit, dass die Schauspieler einzeln auf die Bühne kommen und eine Minute im Rampenlicht stehen bleiben. Danach beantworten sie, wieder einer nach dem anderen, nacheinander die Fragen nach Name, Alter und Beruf sowie ihrer Behinderung. Schließlich folgen sieben von den Behinderten selbst erarbeitete Choreographien zu von ihnen selbst gewählten Liedern, eine Freedbackrunde zum Stück und die restlichen vier Choreographien von den Schauspielern, die in der ersten Runde nicht getanzt hatten. Meine größte Kritik an dem Stück ist eigentlich, dass ich finde, dass die Behinderung der Schauspieler zu sehr thematisiert wird und sie vorgeführt werden. Man ist als Zuschauer (und das wäre man sicher auch bei jedem anderen Stück mit Behinderten Schauspielern) in der Rolle des Voyeurs, der sich eben anschaut, was „diese Menschen“ auf der Bühne machen. Das Interesse liegt weniger im Stück, als darin, wie es umgesetzt wird. Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, dass man sich durch den Aufbau des Stückes auch bewusst wird, dass man ein Voyeur ist und möglicherweise ist gerade das eines der Ziele, dass man sich eben nicht ganz wohl fühlt bei dieser (so einer der Behinderten) „Freak-Show“. 

Am Samstag verbrachte ich Stunden mit Kater im Deutschen Historischen Museum, nachdem wir es geschafft hatten, eine gemeinsame Entscheidung zu treffen, welches Museum es werden sollte. Das Museum ist sehr zu empfehlen, es ist sehr gut aufbereitet und man kann locker einen Tag darin verbringen. Die Sonderausstellung zur DDR war aber leider sehr unkritisch, undifferenziert und wenig reflektiert. Einzig mit dem kostenlosen Audioguide erhielt man auch ein paar kritische O-Töne, die über die üblichen Poster zur Rechtfertigung der innerdeutschen Grenzsicherung hinausgingen. 


Später machte ich mich auf dem Weg zum Haus der Kulturen der Welt, wo das Festiwalla stattfand. Das Fräulein hatte mich darauf aufmerksam gemacht. Leider war ich zu spät dran für die palästinensischen Kurzfilme, aber ich konnte mir zwei Theaterstücke anschauen. Bei „From Tahrir wirh Love“, in dem es laut Programmheft um die Rezeption des arabischen Frühlings unter Berliner Jugendlichen mit Migrationshintergrund ging, war mein großes Glück, dass das Fräulein und ihre Mitbewohnerin mir einen Platz reserviert hatten und wie die Löwinnen mit kämpften, dass ich da rein kam. Ich war sehr froh darüber, denn es lohnte sich sehr. Ich würde aber eher sagen, es ging um die Probleme von jugendlichen mit Migrationshintergrund und ihren Willen zur Revolte. Das Stück, von Jugendlichen mit Migrationshintergrund auf die Bühne gebracht, war großartig. Es war jung, wild, kreativ, links, berlinerisch. War es migrantisch? Eigentlich nicht – natürlich zeigte es Probleme, die eben Jugendliche mit Migrationhintergrund haben, aber im Endeffekt ging es um Sachen, die die Gesellschaft als ganze betrafen.

Eigentlich war fest geplant, abends noch wegzugehen und das Nachtleben der Hauptstadt etwas unsicher zu machen, aber das schafften wir dann im Endeffekt nicht. Ich traf die anderen wieder in einem Restaurant, wo sie gerade ihr Nachtmahl nahmen und wir hingen alle ganz schön am Tisch, so dass wir beschlossen, dass der Spaziergang nach Hause das letzte sein würde, was wir an dem Tag tun würden. Am nächsten Morgen frühstückten wir noch einmal gemeinsam, ehe wir wieder in unsere jeweiligen Heimatrichtungen aufbrachen.

Alles in allem ein anstrengendes Wochenende mit wenig Schlaf, aber einer Menge schöner Momente mit lieben Menschen. Und Berlin, da kann man auch mal wieder hin...

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