Montag, 30. September 2013

Atentie, cad turisti! [Achtung, Gefahr durch fallende Touristen!]


Am Wochenende war ich mit einigen jungen Leuten vom Forum der deutschen Minderheit hier in Timisoara zum Teambuilding. Ich wusste, dass es in die Berge gehen würde, dass wir wandern würden und dass ich potentiell ziemlich dreckig werden würde. Deshalb habe ich mir noch zwei Tage vor Abfahrt Wanderschuhe zugelegt und mir meine bequeme, aber nicht besonders schöne Hose eingepackt. Soweit alles richtig gemacht. Außerdem rechnete ich damit, dass ich viel Rumänisch sprechen werden müsste, damit lag ich nicht ganz richtig, weil die meisten Teilnehmer echt gut Deutsch konnten.

Blick vom Balkon der Unterkunft. Vor allem eins: Dunkelheit.
Wir fuhren etwa drei Stunden Richtung Süden, also zur serbischen Grenze, in den Nationalpark Cheile Nerei. In Sasca Româna hatten wir Zimmer in einer Pension. Wir aßen zu Abend und ich bekam Mamaliga mit Käse und Sauerrahm, was ich sehr gern esse und auch an den nächsten Tagen klappte die vegetarische Versorgung ausgezeichnet. Da das Ganze ein Teambuilding war, ging es nach dem Essen auch gleich los mit Kennenlernspielen und anderen Späßen, so dass wir erst zwanzig nach zwölf in unsere Betten fallen konnten. Ich teilte mir ein Zimmer mit der sehr netten, jungen Bibliothekarin des Deutschen Kulturzentrums und schlief, durch Ohrenstöpsel gut geschützt vor dem Lärm der feiernden Schüler, die sich über diesen Wochenendausflug auf ihre Weise freuten, ein. Leider läutete der Wecker dennoch viel zu früh und meine Hoffnung, mein Schlafdefizit an diesem Wochenende aufholen zu können, war vergebens.

Nachdem wir um acht unser Frühstück eingenommen hatten, wurden wir jeder noch mit drei "Sandwiches" versorgt. In Anführungsstrichen, weil es sechs Scheiben babbeliges Weißbrot waren, wobei zwischen jeweils zwei ein Schnitzel bzw. bei mir glücklicherweise Käse und Gurke geklemmt war. Ich fand das schon ziemlich widerlich, dass bei circa zwanzig Teilnehmern etwa sechzig Schnitzel verteilt wurden an diesem Morgen. Das Schlimmste war allerdings für mich, dass die Kids ständig nicht aufaßen. Lebensmittelverschwendung geht mir so gegen den Strich...

Ausgestattet mit Schnitzel und imaginärem Sauerkraut begaben wir uns auf einen Tagesmarsch. Das heißt, wir waren zwar den ganzen Tag unterwegs, legten aber nur etwas mehr als acht Kilometer zurück. Zwischendurch gab es Spiele, Rätsel und Kniffeleien, die natürlich das Team zusammenschweißen sollten. Los ging es mit einer Runde Ultimate Frisbee, eines der coolsten Mannschaftsspiele, die ich bisher so kennenlernen durfte. Danach folgte noch eine Runde Australischer Football (nicht so brutal wie amerikanischer) und dann ging es nach einem Zahlenrätsel weiter. Zwischendurch mussten wir immer wieder Teile einer Schatzkarte in diversen Gebüschen suchen, knifflige Aufgaben lösen und das Krasseste - durch einen Fluss waten. Bei vielleicht 17 oder 18 Grad Außentemperatur und beträchtlich niedrigerer Wassertemperatur hätte ich nicht gedacht, dass ich mich überwinden kann. Aber wir mussten halt irgendwie rüber. Also hieß es auch für mich, Schuhe aus, Socken aus, Hose aus und im Schlüpper mit Rucksack auf dem Rücken und Wanderstiefeln in der Hand über glitschige Steine ans andere Ufer balancieren. An der tiefsten Stelle reichte das Wasser bis über die Mitte meiner Oberschenkel und ich war sehr sehr froh, nicht auf dem runden Steinen im Flussbett auszurutschen. 

Nachdem wir noch weitere Herausforderungen bestanden hatten, wanderten wir schließlich auch einfach mal ein Stück zu einem Aussichtspunkt, bevor wir noch die letzten Aufgaben lösten. Ganz zum Schluss musste noch eine Hängebrücke wie in einem Indiana-Jones-Film überquert werden. Doch damit waren wir auch schon am Ende der Wanderung angelangt. Am Abend gab es weitere Gruppenspiele, allerdings mehr Schlaf für mich, die ich mich dem gemeinsamen Trinken mit den Schülern wieder entzog - da ich zehn Jahre älter war als viele, fand ich, ich hatte das Recht ins Bett zu gehen. Am nächsten Morgen machten wir noch ein paar Spiele mit Seilen und Bindfaden zwischen Bäumen am Flussufer, wobei wir von einer alten Dorfbewohnerin beschimpft und am Ende auch erfolgreich verjagt wurden. Ein Stück weiter spannten wir dann ein Seil, an dem Mutige, wenn sie wollten, den Fluss überqueren konnten. Zwei der Jungs wateten durch den Fluss und banden das eine Ende an einem Baum fest und da sich kein Baum auf der anderen Seite fand, hielten wir zu acht oder neunt das Seil auf der anderen Seite gespannnt. Soweit kein Problem, wenn aber die erste Person am Seil hängt, wird es auch zu acht echt schwierig, das ganze straff zu halten. Und wenn man es nicht straff hält, plumpst der- oder diejenige am Seil eben in den kalten Fluss. Für mich war das vielleicht die teamförderndste Aktivität von allen. Egal wer am Seil war, die Person musste sich darauf verlassen, dass die anderen sie hielten und egal, wer sich versuchte, er wurde durch Schreie und kräftiges Straffziehen von allen unterstützt.


Insgesamt war es ein schöner Ausflug, der vor allem eins auslöste: Lust auf mehr. In Deutschland gehe ich nie wandern oder klettern oder so, aber wenn ich in Rumänien bin, gehört es für mich einfach dazu, raus in die Natur zu gehen. Schade, dass jetzt bald der Herbst kommt, ich will definitiv mehr davon!




Mittwoch, 25. September 2013

Wie aus Dorfkindern Städter werden

Ich bin wenige Jahre vor dem Zusammenbruch der DDR geboren. Ich bin ein Dorfkind, aufgewachsen auf einem Hof, der etwas abseits eines Dorfes mit etwa hundert Einwohnern liegt. Früher, aber daran kann ich mich schon nicht mehr erinnern, hatten meine Eltern Schafe, Schweine und Hühner. Nicht nur für die eigene Versorgung, auch für Tauschgeschäfte war es praktisch, ein paar Tiere zu halten. Und die Schafe mähten eben den Rasen.
Meine Großeltern wohnten in einem anderen Dorf, in einer Siedlung, aber sie hatten einen großen Garten. Aus Erzählungen weiß ich, dass sie früher sogar noch zusätzlich einen Schrebergarten hatten, den meine Großmutter ebenfalls bewirtschaftete. Die zahlreichen Einweckgläser, die seit bestimmt zwanzig oder dreißig Jahren im Keller stehen, zeugen von reichen Ernten. Meine Großmutter hat nie aufgehört, Marmelade zu machen oder Kirschen einzukochen oder grüne Bohnen einzufrieren. Als ich noch Kind war, habe ich ihr geholfen und es hat mir Spaß gemacht, Kirschen zu entkernen oder Erbsen zu sähen. Der Großteil des Gartens wurde mit Gemüse bepflanzt. Mein Opa steckte Kartoffeln und meine Oma pflanzte Tomaten. In den Jahren, als man den beiden das Alter immer mehr anmerkte, argumentierte ich immer häufiger, es gäbe doch heutzutage alles zu kaufen. „Aber das schmeckt nicht so gut.“, erwiderte meine Großmutter und ich muss mir eingestehen, dass sie recht hatte. Ihre Erdbeeren waren hundertmal besser als gekaufte.

Meine Freunde und ich haben keine aktiven Erinnerungen an irgendeine Zeit der Entbehrungen oder daran, dass es irgendetwas nicht zu kaufen gab. Wir sind in Gesamtdeutschland zur Schule gegangen, haben Abitur gemacht und die Welt stand uns offen. Wir konnten studieren, was wir wollten, oder, wenn wir es nicht gleich wollten, auch Au Pair oder Freiwilliges Ökologisches Jahr machen. Wir konnten uns ausprobieren, landeten aber letztendlich alle in Städten. Wir lebten in Studentenwohnheimen oder Wohngemeinschaften und und lernten andere Menschen unseres Alters kennen. Wir gingen auf Partys und ins Theater, saßen in der Universitätsbibliothek und in Vorlesungen zu abstrakten Themen, von denen in den wenigsten Fällen unsere Eltern, sicherlich aber kaum unsere Großeltern eine Ahnung hatten. Wir fingen an, ökologischer zu denken, der eine mehr, der andere weniger. Meine Großmutter verstand nicht, dass ich kein Fleisch mehr esse. Biosupermärkte suchten wir bei unseren Besuchen zu Hause in der Kleinstadt vergeblich. Und beim Joggen durch die dörfliche Idylle werde ich von den Bewohnern seltsam angeschaut.
Kurz, wir genossen die Annehmlichkeiten der größeren Städte, wie das kulturelle Angebot und die Mobilität. Die meisten von uns genießen es noch immer und werden wohl dort bleiben, wo Jobs für Akademiker sind, man in Mietwohnungen wohnt.

Ich habe den Schritt zurück gewagt. Nur halb freiwillig, aber doch mit freudiger Erwartung, habe ich mir gesagt, dass ich es probiere. Und als ich dann auf dem Dorf angekommen war, meine Umzugskisten in den Abstellraum im Haus meiner Großeltern gestapelt hatte, stellte ich fest, dass ich nicht mehr hineinpasse. Das ich jetzt zwar die rumänische Nationalstaatsbildung herunterbeten kann, aber nicht weiß, wie man Tomaten pflanzt. Geschweige denn, zum örtlichen Feuerwehrfest gehen kann, ohne mich zu verstellen.
Obwohl ich nie in einer Großstadt gelebt habe, bin ich zum Stadtmensch geworden. Das Leben in einem Haus mit Garten überfordert mich zuweilen, bin ich doch an ein bis zwei Zimmer gewöhnt. Wie moderne Städter interessiere ich mich trotzdem für Tomatenanbau und Marmeladekochen. Und so lerne ich wieder, wie man gärtnert und Obst verarbeitet. Meine Tomaten wachsen kreuz und quer und die roten Früchte hängen in verschiedenen Richtungen schwer auf die Erde hinab. Um Erdbeeren zu pflücken, muss ich mich durch einen Unkrautdschungel schlagen, so dass ich am Ende voller kleiner klettiger Samenkapseln bin. Aber das ist alles nicht das Problem.

Das eigentliche Problem ist die Bildung, die mich gewissermaßen verdorben hat. Mit dem jungen Klempner, den ich für Probleme mit der Heizung rufen muss, habe ich keine gemeinsamen Themen und vor der Dorfdisko, wo ich Leute in meinem Alter treffen könnte, graut es mir. Ich bin nicht besser als sie, bloß weil ich einigermaßen hochdeutsch rede und schon mal von Foucault gehört habe. Wir könnten wohl einfach nichts mehr miteinander anfangen. Auch über die Dorfrituale weiß ich nichts. Abgesehen davon, dass ich keine Ahnung habe, wann in der Nachbarschaft jemand Silberhochzeit hat oder wer gerade verstorben ist, weiß ich nicht, wie viel Geld man in eine Karte zur Konfirmation steckt oder ob erwartet wird, dass ich mich beim Dorffest blicken lasse.

Vermutlich sterben die Dörfer tatsächlich irgendwann aus und werden ersetzt durch urbane Großräume. In den ländlichen Regionen werden Städter leben, die es ruhig mögen, die aber keinerlei Bezug zu dörflichen Traditionen haben. Ein paar Ausnahmen bilden hier einige Gemeinschaftsprojekte von engagierten Leuten, denen es schon noch um das Zusammenleben geht. Die Neudörfler allerdings tragen eher ihren Wunsch nach Anonymität in die Dörfer, kombiniert mit dem Verlangen nach Ruhe und selbst angebauten Tomaten.
Ist diese Entwicklung schlecht? Sicher nicht nur. Sie kann im Endeffekt die Dörfer am Leben erhalten. Denn selbst wenn die Menschen in der Stadt arbeiten, wollen sie auch auf dem Dorf eine lebenswerte Umgebung, brauchen einen Handwerksbetrieb vor Ort und gehen vielleicht ab und zu in die Eisdiele oder beim Bäcker Brötchen kaufen. Vielleicht trägt das ja am Ende zu einem lebendigerem Umfeld für alle bei.

Ich habe den Selbstversuch unterdessen abgebrochen und wohne wieder in einer Großstadt im achten Stock eines Blocks. Diese Entscheidung hatte zwar vor allem berufliche Gründe, aber ich habe doch auch gemerkt, dass ich mein Leben nicht auf Marmeladekochen und Tomatenanbau gründen kann, im Moment zumindest nicht. Denn ich nahm die Chance gerne war, herauszukommen und mich neuen Herausforderungen zu stellen, die nichts mit Schneckenbekämpfung oder Mardervertreiben zu tun haben.

Sonntag, 22. September 2013

Gemüse ist mein Fleisch

Ich liebe es – auf den Markt zu gehen und für zwei, drei Euro mit mehreren Beuteln Obst und Gemüse wiederzukommen. Ich kaufe prinzipiell zu viel, weil ich der Versuchung der Möhren, an denen noch sandige Erde klebt, der großen roten Tomaten und des süß-fruchtig riechenden Obstes nicht widerstehen kann.
Ab und zu haue ich alles in eine Pfanne, mache daraus eine Art Ratatouille und verspeise es mit einer Scheibe Brot als Beilage. Das Gemüse ist für sich schon so lecker, dass ich gar nicht das Bedürfnis habe, irgendetwas ausgefallenes daraus zu kochen. 



Gestern war ich dann endlich auch zum ersten Mal im BioFresh und war total begeistert. Von der Linsensuppe zur Vorspeise über die gefüllten Zucchini als Hauptspeise bis hin zur Schokotorte als Dessert war alles wahnsinnig gut. Dazu noch rauchfrei – in Rumänien eine Seltenheit – die Musik nur so laut, dass man sich auch noch gut unterhalten kann – ebenfalls eine Seltenheit in Rumänien – schneller Service und eine entspannte Atmosphäre. Ich werde ganz bestimmt jeden einzelnen meiner Besucher hinschleppen.

Montag, 16. September 2013

Suceava und Stefan dem Großen seine Mutter

Gemeinsam mit einem Kollegen brach ich am Sonntagabend nach Suceava auf, da dort ab Montagabend ein Radioworkshop einer anderen Entsandten aus der gleichen Organisation wie ich stattfinden würde. Ich freute mich auf das Wiedersehen und zudem auf den Workshop, da ich mir erhoffte, auch noch ein wenig dabei zu lernen.
Die Fahrt nach Suceava dauert etwa 14 Stunden. Es gibt zwei Züge täglich, davon geht einer über Nacht. Da man sich zwar die Landschaft anschauen kann, aber das 14 Stunden lang auch nicht unbedingt immer interessant ist, entschieden der Kollege und ich uns für den Nachtzug. Zwei Tage vor Abfahrt wiesen wir ihn in der Redaktion noch darauf hin, dass es ja auch Liegewagen gäbe und man so die Nacht viel entspannter zubringen könnte. Er machte sich daraufhin auf, um noch die Reservierung zu kaufen.


Wir trafen uns kurz vor Zugabfahrt – er beladen mit Rollkoffer, Umhängetasche und einer weiteren Tasche, ich mit eher kleinem Rucksack und Umhängetasche, nur um noch mal die für mich eher unübliche Gepäckverteilung zu rekonstruieren – und machten uns auf, unserer jeweiligen Plätze zu suchen. Da diese so kurzfristig gekauft waren, waren sie an unterschiedlichen Enden des Abteils, aber ich setzte mich erst zu ihm ins Abteil, um zu quatschen, später kam er noch zu mir mir ins Abteil. 
Wir lernten uns somit schon mal gut kennen und verstanden uns gut, so dass wir auch am nächsten Tag keine Probleme hatten, als wir zusammen essen gingen und die Stadt erkundeten. Da wir morgens um neun ankamen, schauten wir erstmal im Büro der Kollegin von mir vorbei und uns dann gemeinsam den Veranstaltungsraum an. Weil wir noch etwas besorgen mussten, gingen wir auch noch kurz auf dem Markt vorbei und schauten nebenbei noch in eine Kirche. Ein kleiner Stadtrundgang also schon zu Anfang. Später checkten wir im Hotel ein, duschten erst einmal und gingen dann noch einmal allein die Stadt erkunden – unter anderem zur Burg hoch, die gerade restauriert wurde. Wir gingen einfach an den Bauarbeitern vorbei und fragten hin und wieder: „Se poate?“ [Darf man [hier rein]?], und wir durften eigentlich überall hin, egal ob das Gerüst fehlte oder gerade Teerbahnen verlegt wurden. Der Ausblick war ziemlich gut und die Grundlage für alle Stefan der Große Witze der gesamten Woche gelegt.


Die Stadt ist die Stefan der Große Stadt Rumäniens. Überall stolpert man über Denkmäler an ihn oder solche, die so aussehen, aber für seinen Sohn und späteren Thronfolger Petru Rares sind. 
Schulen wurden nach ihnen benannt und nach dem Stefan sogar die Universität. Und eine Statue zeigt auf zeitgenössische Art etwas, was wir eindeutig als „Ode an die Mutter [Stefans des Großen]“ interpretierten. Wir kamen auch auf die Idee, dass die alte Fabrikesse, die als Zentrum der Shopping Mall erhalten geblieben ist, eigentlich von ihm oder wenigstens seiner Mutter, eine Mamaliga-Schüssel haltend, gekrönt werden sollte. Wenn es zu schwierig ist, eine Bronzestatue da hoch zu hieven, kann man ja auch etwas aus Pappmaché aufstellen.

Wir schauten uns auch noch kurz das Kloster an, aber als sich in der Klosterkirche vor irgendeiner Reliquie die Gläubigen vor dem Pastor knieten, um gesegnet zu werden, wurde es uns ein wenig zu bunt und wir gingen wieder. Wir tranken noch eine Limo, respektive Pepsi auf einer Terasa und gingen dann zum Deutschen Kulturzentrum, wo der Kennenlernabend stattfinden würde. Sieben Jugendliche hatten sich eingefunden, um mit uns fünf Tage lang einen Radioworkshop zu machen. Bei ein paar Gebäckstücken näherten wir uns an.

In den nächsten Tagen folgten unzählige Stefan der Große Witze, ein Museumsbesuch, ein Besuch beim Architektenverein und Vorträge übers Radiomachen im „Haus der Freundschaft“.
 Außerdem gingen wir zweimal pro Tag essen, zudem gab es natürlich in unserem Hotel Frühstück in einem überdimensionierten anachronistischem Frühstückssaal. Typisch rumänisch – das heißt Omelett mit Schinken und Käse, kalte Platte mit Käse, Schinken, Gemüse und Ei sowie Kaffee oder Tee. Ich schaffte es tatsächlich, die kalte Platte ohne Fleisch und Ei zu bekommen und zwar täglich, trotz unerbittlichen Nachhakens der Kellnerin.


Ich war sei fünf Jahren nicht mehr in Suceava gewesen und fand es diesmal weit weniger hässlich als beim letzten Mal.
Busfenster!?
Krass ist, dass die Kommunisten tatsächlich fast die ganze österreichisch geprägte Innenstadt plattgemacht hatten, um sie du
rch sozialistischen Betonrealismus zu ersetzen. Ansonsten würde Suceava vielleicht ähnlich aussehen wie Timisoara, oder eher Czernowitz. Aber so sieht Suceava eben aus, wie jede andere rumänische Stadt, in der der Kommunismus besonders heftig gewütet hat. Dennoch, die Stadt ist eigentlich ganz hübsch, sauber und ziemlich belebt.

Die Radiobeiträge der Schüler überraschten mich. Die Zweifel vom Anfang, ob man mit Schülern, die Deutsch nur als zweite Fremdsprache lernten, einen deutschen Radiobeitrag zusammenbauen konnte, zerstreuten sich. Alle Beiträge waren gut und vor allem sehr interessant, aus verschiedenen Bausteinen aufgebaut und einige waren ganz schön lang geworden. Nach der Abschlusspräsentation machte ich mich mit dem Kollegen wieder auf den Weg zum Bahnhof, wo wir den Nachtzug erwischen wollten. In einem vollen Abteil neben einer einzelnen Frau und einer dreiköpfigen Familie richteten wir uns in den oberen Liegen ein und schliefen ziemlich lange. Kurz vor zehn hielt ich es dann aber doch nicht mehr im Bett aus und begab mich in ein leeres Abteil, wo ich noch ein wenig las. Die vorbeiziehende Landschaft mit kleinen Dörfern, Pferdewagen und bekopftuchten Omas passte perfekt zu der Athmosphäre der bosnischen Stadt Wischegrad aus dem Buch.

Wer Stefans Mutter war, konnten wir im Endeffekt dann doch nicht so ganz klären, wir fanden nur heraus, dass der Gute wohl ein Bastard war. Ebenso übrigens Petru Rares, sein Sohn, der ihm irgendwann auf den Thron folgte und vermutlich ein Nichtsnutz war, da unter ihm die Festung der Stadt, die sein Vater noch so tapfer verteidigt hatte, eingenommen wurde.


Leider hat die Zeit nicht für einen Ausflug in die Bukowina gereicht. Das wäre sicher schön gewesen, aber so muss erstmal ein musikalischer Ersatz herhalten...









Sonntag, 8. September 2013

Bilanz der ersten Woche

Über Eine Woche ist schon vorbei - Zeit für eine erste Zwischenbilanz. Erst recht, nachdem ich ein richtig gutes Wochenende hatte und noch habe, auch wenn Sonntag jetzt Rumgammeltag ist. Aber mal der Reihe nach...

Wohnung

Nach den anfänglich festgestellten Mängeln und einer Menge Einsatz von Putzmittel und Muskelkraft, sieht es inzwischen akzeptaber aus. Ich habe inzwischen raus, dass der Waschmaschinenabfluss, den ich in die Toilette hängen muss, das Bad nicht flutet, wenn ich die Waschmaschine etwas vorziehe. Ich habe mir ein kleines Tischchen als Schreibtisch vom Balkon geholt und die klebrigen Böden gewischt. Ich hätte noch gern einen Staubsauger, weil Teppiche ohne Staubsauger einfach bäh sind. Außerdem brauche ich früher oder später eine Matratze oder ein Bett, auch wenn ich inzwischen ganz ok darauf schlafe, aber ich merke, wie es meinem Rücken schadet.
Warmes Wasser gibt es scheinbar nur abends, was doof ist, wenn man morgens noch Haare waschen muss, und in der Küche gar nicht. Das Wasser trinke ich nur als Tee, also abgekocht, weil ich ihm nicht traue. Andererseits traue ich dem Trinkwasserbrunnen - Fantana publica - eine Straße weiter und hole mir dort mein Wasser. Besser als immer Mineralwasser kaufen. Damit kommen wir auch schon zur Gegend...

Nachbarschaft

Das Haus an sich ist ziemlich ruhig, ich habe noch nicht viel von den Nachbarn gehört, nur einmal leise einen Fernseher. Die Riesenkreuzung vorm Haus ist halt schon ganz schön laut, aber die Fenster sind gut, wenn ich das nicht hören will. Ich bin tatsächlich mitten im Zentrum, aber auf der anderen Seite ist auch eine eher ruhige Gegend mit der Medizinfakultät und Wohngebieten. Dort gibt es auch den Trinkwasserbrunnen und ganz wichtig zur Mülltrennung: den Glascontainer. Ich habe auch schon eine Pizzeria entdeckt und einen Non-Stop-Lebensmittelladen. Einen Supermarkt gibt es auch in der anderen Richtung. Außerdem ist der Park der Kinder ganz um die Ecke und überhaupt relativ viel grün. Eine potenzielle Joggingstrecke habe ich auch schon ausgemacht, auch wenn ich mir fast die Beine gebrochen habe bei der ersten Nutzung, weil einfach mal Gehwegplatten einen halben Meter hoch vor mir aufragen, die wohl vom letzten Erdbeben in diese Position gebracht worden sind. Ich habe wirklich keine Ahnung.

Fabric

Bildquelle: www.banaterra.eu
In der Richtung, in die ich jogge, ist auch ein richtig schönes Viertel, Fabric, die Fabrikstadt. Dort befindet sich auch die Bierbrauerei von Timisoarana, aber das ist nicht der Grund, warum ich das Viertel mag. Den Mittelpunkt bildet der Piata Traian, wo es eine Menge Ramschläden gibt, was praktisch für mich ist, weil ich letzte Woche die ganze Zeit auf der Jagd nach Waschbeckenstöpseln, Abflusssieben und Ähnlichem war. Obwohl es ein relativ heruntergekommenes Viertel ist, finde ich es echt gemütlich, gerade auch, weil es sehr lebendig ist. Es hat irgendwie mehr vom Charme alter Zeiten bewahrt als das Stadtzentrum, obwohl das ja architektonisch auch sehr an die österreich-ungarische Zeit erinnert.

Märkte

Lebendig geht es auch auf dem angrenzenden Markt "Badea Cârțan" zu. Sämtliches saisonale und regionale Gemüse, was man sich vorstellen kann, wird dort angeboten. Zurzeit sind das vor allem Berge von Tomaten, Weintrauben, Pflaumen, Pfirsichen und Melonen. Ich habe vor den überreifen und schon einige Wochen in der Sonne angehäufelten Melonen genauso wenig Angst wie vom Trinkwasserbrunnenwasser und habe mir eine kleine mitgenommen, die ich dann über ein paar Tage genüsslich verspeiste. Außerdem habe ich die Flohmärkte ausgecheckt, einen Bericht davon gibt es da ja schon.

Arbeit

Warum bin ich eigentlich hier? Ach ja... Anfangs war mir nicht ganz klar, was meine Rolle und Position sein würde und ob ich bloß eine billige Hilfskraft bin, inzwischen wird aber klar, dass man mir durchaus eigene Projekte anvertrauen will. Es geht so langsam los, ich werde eingebunden und verstehe mich auch super mit meinen Kollegen. Ich lasse mir erstmal viel erzählen, wie es läuft und höre aufmerksam zu, damit ich meine Projektideen an die Möglichkeiten vor Ort anpassen kann. Ich freu mich auf jeden Fall drauf und bin gespannt, was da kommt.
Heute Abend geht es erstmal nach Suceava, in den Nordosten von Rumänien. Eine 14-stündige Zugfahrt steht mir bevor und dann sechs Tage Radioworkshop. Ich soll organisieren helfen, hoffe aber auch, dass ich ein bisschen mitmachen kann, weil ich ja auch noch viel zu lernen habe.

Stadt

Die Stadt an sich ist einfach großartig. Ich kann mir gut vorstellen, hier ein Jahr zu leben. Ich liebe die Märkte, die Architektur, die Athmosphäre. Es ist so schön grün und wenn es Nacht ist, sieht man auch nicht, wie dreckig dieser Kanal, die Bega, ist, der langsam vor sich hin gammelt und dabei eine Fließgeschwindigkeit eines schlafenden Mulis hat. Das ganze Wochenende ist Bega-Bulevard-Festival, das heißt an einem Abschnitt des Flusses ist eine Bühne aufgebaut und verschiedene Stände, es gibt Spiel, Spaß, Musik und gute Laune. Ich habe eine Mitarbeiterin vom Deutschen Kulturzentrum wiedergetroffen, die ich schon beim Projekt kennengelernt habe und habe auch weitere Kontakte geknüpft. Am Freitag habe ich mich mit ein zwei Couchsurfern und noch zwei Freunden von ihnen getroffen und bin dann noch mit einer davon, einer spanischen Couchsurferin zum Festival gegangen. Wir saßen am Kanal und hörten uns das Pianokonzert an, was auf der anderen Seite des Kanals auf einer Bühne stattfand und sahen uns die Feuershow an, die das ganze begleitete. Es war ein echt stimmungsvoller Abend. Tags darauf, also gestern, bin ich wieder zum Festival, um mich mit einer deutschen Praktikantin vom Deutschen Kulturzentrum zu treffen und mit ihr Ideen für eine Ausstellung zu sammeln. Dabei habe ich noch zwei deutsche Freiwillige kennengelernt, die jetzt für ein Jahr in der Stadt in verschiedenen Sozialinstitutionen arbeiten. Am Abend habe ich mich dann noch mal mit dem rumänischen Couchsurfer getroffen, ein Ureinwohner der Stadt und nach einem Einstiegsbier waren wir noch am Piata Unirii und haben eine dreadlockige Freundin von ihm mit ihrem Hund getroffen und sind mit Freunden von ihm später noch in einen alternativen Club feiern gegangen. Dabei habe ich dann auch noch den Urheber des folgenden Videokanals auf Youtube wiedergesehen, der schon tags zuvor beim Bier dabei war. Hier also "Teile eine Cola mit einem Zigeuner". Vorsicht, sehr politisch inkorrekt. [Ich will damit keinerlei Diskriminierung oder diskriminierendes Verhalten oder Stereotypen und Vorutreile unterstützen. Ich will lediglich das Video eines lokalen Komikers zeigen.]


Samstag, 7. September 2013

Meine Beute vom rumänsichen Flohmarkt

Ich dachte ja nie, dass ich einen Shopping-Haul-Blogeintrag machen würde, aber ich muss einfach mal teilen, was meine Ergebnisse eines Vormittages Rumwühlen sind. Ich war heute morgen auf den Märkten Aurora und Flavia hier in Timisoara und hatte eigentlich das Ziel mit einigen folgender Gegenstände wiederzukommen:
  • Gabeln (die fehlen nämlich seltsamerweise im Besteckkasten meiner ansonsten ganz gut ausgestatten Wohnung)
  • Gläser (ebenfalls, es sind nur Tassen da und das einzige vorhandene Glas bekomme ich partout nicht sauber)
  • Pumps (für den gelungenen Büroauftritt, jetzt wo ich einen richtigen Job habe)
  • Jeans oder Hose (meine einzige mitgebrachte Jeans ist mit einem lauten Ratsch eingerissen, als ich so neugierig war und auf einen Stuhl stieg um zu schauen, was noch so alles oben auf dem Schrank rumliegt)
  • Schlafsack (wo auch immer meiner hinverschwunden ist, er bleibt verschwunden)

Ich bin mit der Vorstellung hingegangen, dass der Flohmarkt wohl ähnlich wie der in Cluj aussehen würde. Das heißt konkret - Stände mit Essen, eine Menge alter Leute, die ihre Habseligkeiten oder irgendwie erworbene Sachen auf Decken und wackligen Tischen ausbreiten, professionelle Händler, die Wohnungsauflösungen aus Deutschland, Fahrräder, Mopeds, Computer und Unterhaltungselektronik, Kleidung oder Schuhe anbieten.
Letzten Samstag habe ich mir schon schnell ein Fahrrad gekauft auf dem Flohmarkt. Es ist blau, ein Damenrad und heißt jetzt erstmal Isolde. Aber da ich recht spät dran war, habe ich das meiste verpasst und konnte mir kein so rechtes Bild vom Markt machen. Da ich letztes Mal nur auf dem Flavia-Markt war, bin ich diesmal zuerst auf den Aurora. Wie ich es von Cluj schon kannte, war ein kleines Eintrittsgeld fällig. 2 Lei zahlte ich, um so lange ich wollte zu stöbern. Der Aurora-Markt bietet fast ausschließlich Second-Hand-Kleidung und -Schuhe. Auf riesigen Tischen liegen und an Stangen und Ständen hängen die Klamotten. Manche sind teuerer und manche billiger, vieles ist Schrott, aber einiges ist noch ganz gut.



Ich suchte eine Sweatjacke, da meine alle zuhause bleiben mussten, weil sie schon etwas löchrig waren. Ich fand eine schöne, etwas dickere von einem bekannten schwedischem Modehaus in schwarz. Kostenpunkt 15 Lei (3,50 Euro). Die Schuhsuche war leider vergeblich, alles was mir gefiel, war entweder zu teuer für den Zustand oder zu durchgerockt. Dafür fand ich eine Jeans einer bekannten Marke mit französischem Namen für 5 Lei (1,10 Euro). Leider musste ich inzwischen, zuhause, feststellen, dass diese ein Loch im Schritt hat. Die Sachen kann man natürlich nicht anprobieren und es war mir klar, dass möglicherweise nicht alles passen würde, als ich bei einem Stand, wo es Hosen für 2 Lei (50 Cent) gab, zuschlug. Ich fand drei, zwei von den bereits genannten Marken, einmal Tweed, einmal Freizeithose, und eine schwarze no-name-Jeans. Davon passen zwei fast (einmal zu groß, aber noch ok, einmal minimal zu klein) und eine geht dann doch nicht so recht zu. 
Nachdem ich noch ein paar Runden gedreht hatte, damit ich auch ja nichts übersehe, ging ich hinüber zum Flavia-Markt. Hier war der Eintritt drei Lei, dafür gab es praktischerweise drinnen einen Fahrradständer, so dass ich mich nicht mit diesem durch die Menge drängeln musste. Und für einen Lei (also 25 Cent) eine ziemlich saubere Toilette für Flohmarktverhältnisse. Ich stromerte ziemlich lange umher und erwarb schließlich, nachdem ich mir überall die Augen ausgeschaut hatte, 2 Gläser für je einen Lei (eins davon ist leider auf dem Heimweg zerbrochen) und vier Gabeln für drei Lei. Außerdem wühlte ich in einem Berg mit Schuhen, nachdem mir ein paar graue Stiefelletten ins Auge gesprungen waren. Besser gesagt war mir der rechte Schuh ins Auge gesprungen. Der linke verbarg sich weiter hartnäckig unter dem Schuhhaufen und wollte sich auch nicht zeigen, als mir das junge Romamädchen von vielleicht elf Jahren sehr engagiert beim Suchen half. Sie war die Marktschreierin und auch Verkäuferin, aber ihre Mutter assistierte und überwachte sie von einer bequemen Sitzgelegenheit neben dem Stand. Zum Vorschein kam aber haargenau der gleiche Schuh in schwarz, der leider minimal abgelaufener war, aber immer noch in einem Zustand, dass ich ihn für 10 Lei (3,50 Euro) getrost mitnahm. Beim Suchen haben sich noch ein paar süße graue Pumps gezeigt, beziehungsweise einer davon und als ich den zweiten nach einigen Minuten wühlen auch gefunden hatte, wollten auch diese von mir adoptiert werden.


Das Bummeln auf dem Flohmarkt war sehr entspannt. Ein paar junge männliche Roma versuchten zwar mit mir zu flirten, waren aber sehr unaufdringlich. Wenn mir etwas nicht gefiel oder der Preis nicht passte, ging ich einfach weiter, ohne dass jemand schrie oder schimpfte. Die Verkäufer waren alle gut gelaunt ("Machen wir zwei Lei?" - "Tut mir leid, Mama sagt nein."). Und Angst um meine Sachen hatte ich auch nicht. Ich war mit einem mittelgroßen Rucksack und einer Bauchtasche gekommen, so dass ich mein Geld immer schnell griffbereit und im Auge hatte. Mein Fahrrad ließ ich beim Aurora-Markt oft etwas abseits des Standes stehen, um zu wühlen, ohne, dass es mir jemand klauen wollte.
Die Märkte sind anders als der in Cluj, wo es zum Beispiel große Stände mit Armee-Ausstattung, von Trainingsjacken über lange Unterhosen bis zu Schlafsäcken gibt. Die Verkäufer in Timisoara sind meist Roma und auch die Stände mit Haushaltsauflösungsware sind geringer gesät. Gläser habe ich an zwei Ständen gesehen, mehr nicht, Gabeln ebenfalls. Die Bananenkisten voll mit Gläsern, Tellern, Tassen und Besteck fehlten fast vollständig. Aus einer davon hatte ich vor über einem Jahr in Cluj eine Tasse vom Leipziger Weihnachtsmarkt geangelt.

Insgesamt habe ich  50 Lei ausgegeben, plus 5 Lei Eintritt und 1 Lei Toilettengebühr. Das sind 12,50 Euro für einen Rucksack voller nützlicher Dinge. Kann man mal wieder machen. Und wenn eine Hose nur 50 Cent kostet, ist es auch nicht schlimm, wenn die Hälfte nicht passt...



Für Klamotten gehe ich ansonsten lieber in die Secondhandläden. Oben ist noch ein Bild von meiner Beute eines Streifzugs in diesen. Für die Hose (ebenfalls von dem Hersteller mit dem französischen Namen und den roten Fähnchen an der Kleidung), zwei kleine Kissenhüllen und die Bluse habe ich 14 Lei bezahlt, für das grüne Kleid 10 Lei. Also reichlich 5 Euro insgesamt.
Ich finde es nicht schlimm, Sachen Secondhand zu kaufen. Ich finde es eher spannend, in den Läden zu schauen, weil ich so Sachen bekomme, die nicht irgendeinem seltsamen Modetrend folgen, den ich vielleicht gerade nicht mitmachen will. Natürlich finde ich auch den finanziellen Aspekt reizvoll, aber vor allem ist es auch der ökologische Aspekt, der mich dazu bringt, nicht alles neu zu kaufen. Wir wissen inzwischen alle, wie die Textilien, die wir bei den großen Modeketten kaufen, hergestellt werden. Das möchte ich nicht unnötig unterstützen (auch wenn ich darin nicht ganz konsequent bin). Solange die Sachen noch intakt sind, aber nur nicht mehr passen oder gefallen, sollte man sie in irgendeiner Form zur Weiterverwendung geben. Darüber habe ich ja schon mal gebloggt. Aber das ist nur die eine Seite. Durch Second-Hand-Kleidung glaube ich, meinen ökologischen Fußabdruck geringer zu halten. Und solange die Klamotten oder auch Dinge soweit zu reinigen sind, dass ich sie ohne Bedenken verwenden kann, habe ich kein Problem damit, etwas zu kaufen, was vorher auf einem staubigen rumänischen Flohmarkt in einer Bananenkiste lag.

Montag, 2. September 2013

Guten Morgen und herzlich willkommen bei Radio Temeswar!

So hätte sie in etwa ausfallen können, meine Begrüßung. Leider war der Anfang aber ganz schön verkorkst. Ich stand eine geschlagene Stunde herum und wartete auf die restliche Redaktion. An meinem ersten Arbeitstag. Aber von Anfang an...

Die Busfahrt nach Timisoara war eigentlich viel angenehmer als erwartet. Der Kulturschock nach dem Ankommen war nicht spürbar, da ich schon vorm Einsteigen das Gefühl hatte, in Rumänien zu sein. Vorm Dresdner Bahnhof saßen Zigeunende (so die politisch korrektere Bezeichnung, die jemand, den ich hiermit grüßen will, in den Raum geworfen hat) auf dem Bordstein und der Busfahrer sprach nur Rumänisch. Im Bus war es heiß und es roch irgendwie unangenehm, in der letzten Sitzreihe pennte ausgestreckt ein Rumäne, wobei sich sein Statusbauch hob und senkte. Ich schnappte mir den vorletzten Zweiersitz und okkupierte ihn. Irgendwie hatte ich angenommen, dass wir von Dresden aus durchfahren würden, aber bei einer kleinen Stadtrundfahrt durch Prag wurde schnell klar, dass wir wohl auch halten würden. Ich hatte den Eindruck, wir fuhren auch ein wenig im Kreis, aber das war nicht so schlimm, den die Burg war schön angestrahlt und ich genoss den Ausblick. In Prag standen wir noch Ewigkeiten herum, dann stiegen noch zuemlich viele Menschen zu. Auch in Brno kamen noch ein paar, aber ich hatte durch geschicktes Verteilen meiner Habseligkeiten meine zwei Plätze behauptet. Im Hinblick auf den Typen in der letzten Reihe, der die Dreistigkeit hatte, seine fünf Plätze zu verteidigen, fühlte ich mich auch durchaus im Recht. In Rumänien angekommen fuhren wir auch in Arad noch ein paar Mal im Kreis, waren aber trotzdem eine Stunde zu früh in Timisoara.


Kaum bin ich aus dem Bus gestiegen, rief mich auch schon mein Vermieter an, wo ich sei. Ich sagte ihm ebendas, ich wäre gerade aus dem Bus gestiegen. Er bot sogar an, mich abzuholen und mir mit dem Gepäck zu helfen, aber im Anbetracht der vielen Taxis die rumstanden, lehnte ich ab. Die zwei Euro, die es maximal kosten würde, hatte ich schon auch noch. Ein Fehler. Zuerst musste ich dem Taxifahrer auf der Karte zeigen, wo ich hinwollte, weil er die neuen Straßennamen nicht kannte - keine Ahnung, wann die Namen geändert wurden waren. Nach dem Krieg? Nach der Revolution? Nach der letzten Kommunalwahl? Jedenfalls hatte er keine Ahnung, wo die Henri-Coanda-Straße war. Erschwerend kam die Aussprache dieses Stücks Timisoara hinzu. Das erste Mal, als ich den Straßennamen hörte, verstand ich auch nur "Anricanda". Wo auch immer das ist. Das Witzigste kam aber eigentlich noch. Der Fahrer konnte mir, aber das war ja schon fast zu erwarten gewesen, auf meine 50 Lei (eta 11 Euro) nicht herausgeben, da ich nur 7 (etwa 1,70 Euro) Lei zu bezahlen hatte. Nach ewigem hin und her, bat er mich, doch im kleinen Lebensmittelgeschäft an der Ecke zu wechseln. Die Dame bedeutete mir, das könne sie nicht, wobei wie sie das sagte, auch irgendwie sehr danach klang, als wolle sie einfach nicht - tja, dort werde ich wohl jetzt nicht mehr einkaufen, Pech gehabt - aber ich könne ja in der Wechselstube fragen. Die zum Samstagvormittag allerdings zu hatte. Und auch aussah, als hätte sie schon länger nicht mehr aufgehabt. Jedenfalls gab ich dem Taxifahrer am Ende fünf Euro und er gab mir knapp zwei Euro in Lei raus, so dass er einfach mal ein fettes Trinkgeld von 100% einstrich. Und das, obwohl Trinkgelder normalerweise von Taxifahrern hier nicht erwartet werden, da die eh meistens den Preis runden.


Endlich in der Wohnung angekommen, regelten wir schnell alles, was noch zu regeln ist, wobei ich nur die Hälfte verstehe. Immerhin, Internet ist noch einen halben Monat bezahlt und um sämtliche Rechnungen zu bezahlen, muss ich nur zu irgendwelchen Banken und Büros gehen, von Onlinebanking hat der gemeine Rumäne scheinbar noch nie was gehört. Als der Vermieter mir den Schlüssel in die Hand gedrückt hat und verschwunden ist, schiebe ich erstmal alle Vorhänge zur Seite und ziehe alle Rollos hoch und jetzt wird das Ausmaß der Katastrophe deutlich - die Wohnung ist total verdreckt. Am Wochenende bin ich nur mit Einkaufen und Putzen beschäftigt. Immerhin, gleich am ersten Tag kaufe ich mir auch ein Fahrrad auf dem Flohmark (und lasse mich etwas übers Ohr hauen), aber es erleichtert mir das Einkaufen ungemein. Die Stadt ist super zum Radfahren, keine Berge, keine Verkehrsregeln.


In der zweiten Nacht macht das uralte Schlafsofa, auf dem ich nächtige, endgültig die Krätsche. Ich habe das Gefühl, in einem Loch zwischen harten Eisenfedern zu schlafen. Schnell wird klar - ich brauche ein Bett. Nur ohne Ikea weit und breit gibt es echt einfachere Aufgaben. Für die nächsten Tage habe ich mir vorgenommen, Leute abzuklappern, die gebrauchte Möbel aus Deutschland importieren. Das ist mal wieder echt ironisch, aber was soll ich machen, ich will nicht für das eine Jahr hunderte von Euro für ein Bett und eine Matratze ausgeben.

Nachdem ich aus der Kuhle gekrochen bin, beim Duschen feststellen musste, dass auch das warme Wasser nicht so einwandfrei funktioniert, begab ich mich auf Arbeit. Ich hatte schon am Sonntag kurz in der Redaktion vorbeigeschaut, aber meine neuen Kollegen knapp verpasst. Der Pförtner meinte, um acht, halb neun, vielleicht auch neun, wäre am Montagmorgen sicher jemand da. Ich radelte also etwa halb neun los und war zehn Minuten später da. Und wartete eine geschlagene Stunde ehe irgendjemand anders auftauchte. Dann wurde die Wochenplanung durchgesprochen und ich erhielt eine erste Aufgabe. Später hörte ich noch beim Einlesen der Nachrichten zu und ging mit auf eine Pressekonferenz.

Mein erster Eindruck - alles nicht so einfach und mal schauen, wie es sich weiter entwickelt. Die Wohnung war sicher nicht die beste Wahl, aber ich will jetzt erstmal hierbleiben, wenn die Probleme weitergehen, muss ich mich aber nach was neuem umsehen. Von der Arbeit kann ich noch nicht viel sagen, ich hoffe, dass ich schnell eingebunden werde und auch eingelernt werde, was bis jetzt noch nicht so der Fall war, aber heute hatte auch keiner so recht Zeit für mich, nach diesem seltsamen Start.