Sonntag, 5. August 2012

Varna - Glück im Unglück



Ich nahm von Vama Veche also den Minibus nach Varna. Ich war die einzige, die in Vama Veche zustieg, aber es waren noch ein paar rumänische Touristen mit an Board, die allerdings bei den übichen Touristendestinationen entlang der Schwarzmeerküste abgesetzt werden wollten. Ich hatte keine Ahnung, wo ich hinwollte, eben nach Varna, am Besten erstmal an den Busbahnhof, dann konnte ich gleich schauen, wie ich weiter kommen würde. Der Fahrer hatte auch keine Ahnung, wo es lang ging und verfuhr sich erstmal in einem Industriegebiet. Als die Straßen schmaler und ausgestorbener wurden, bekam ich es ziemlich mit der Angst zu tun. Ich war die einzige, die im Bus verblieben war und hatte keine Ahnung, wo er mich hinbringen wollte. Schließlich fand er aber den Busbahnhof. Ich stieg aus und irrte ein bisschen umher, suchte nach einem Geldautomaten und einer Touristeninfo. Eine Zimmervermittlung gab es sogar, allerdings war niemand zu sehen weit und breit und so beschloss ich schließlich, in die Stadt zu fahren. Ich wartete auf den Bus, von dem ich dachte, er könnte ins Zentrum fahren. Nach ein paar Halten wurde es ziemlich voll und es entstand ein Gedränge. Als ich ausstieg, war mein Portemonnaie weg. Darin waren meine Bankkarten (Visa und EC), mein Personalausweis, mein Studentenausweis, meine Versichertenkarte und eben mein Geld gewesen, glücklicherweise nur ca. 30 Euro. Ich bekam etwas Panik und rief sofort bei den Sperrhotlines an, dann überlegte ich, wie es weitergehen sollte. Ich hatte 45 Euro in einer anderen Tasche, dazu noch meinen Reisepass. Istanbul stand also eigentlich nichts im Weg - nur wusste ich, dass das Fräulein erst in drei Tagen dort sein würde. Ich hatte also drei Tage zu überbrücken und musste noch irgendwie nach Istanbul kommen, und das Ganze eben mit 45 Euro. Ich steuerte als erstes die Touristeninfo an, vielleicht konnte man mir da eine extrem günstige Unterkunft vermitteln und mir verraten, wie ich am Besten nach Istanbul kommen würde. Einen Zwischenstopp in Burgas hielt ich aufgrund meiner finanziellen Lage inzwischen für unmöglich, aber der Rest würde schon irgendwie funktionieren, hoffte ich. Zur allergrößten Not musste ich eben auf die deutsche Botschaft in Sofia fahren, die sind ja für solche Notfälle da. Am Strand schlafen, das ging mir noch durch den Kopf, ich verwarf es aber recht schnell wieder - allein mit ziemlich viel Gepäck und als Frau keine so gute Idee.




In der Touristeninfo wurde mir mitgeteilt, dass Übernachtungen ab 15 Euro begannen und der Bus nach Istanbul 30 Euro kosten würde. Ich hatte also für zwei Übernachtungen und zwei Tage Essen nur noch 15 Euro zur Verfügung, wenn ich den Bus über Nacht nehmen würde. Ich musste schauen, ob vielleicht der Couchsurfer, mit dem ich schon vor ein paar Tagen in Kontakt gewesen war, der aber meine letzte Nachricht nicht beantwortet hatte, vielleicht doch inzwischen geschrieben hatte. Und tatsächlich, da war eine Nachricht. Ich konnte bei ihm schlafen und er hatte seine Handynummer dazu geschrieben. Eigentlich war ich einen Tag zu früh dran, das heißt, eigentlich wollte ich eine Nacht später erst bei ihm übernachten. Hätte ich Geld gehabt, hätte ich das auch getan, aber so rief ich ihn sofort an und erzählte ihm, dass ich ein kleines Problem hatte. Er war sehr unkompliziert, sagte mir, wo ich hinkommen sollte, und wir trafen uns in einem Cafe.












In den nächsten drei Tagen verbrachten wir sehr viel Zeit mit essen, zum Beispiel traditionellen Käseteigtaschen, Banicy, zum Frühstück, bulgarischem Käse, Zuchinisuppe, gegrillten Auberginen und anderen Leckereien. Wir gingen jeden Tag zum Strand, dabei fuhr er mich mit dem Auto an die wunderschönsten Abschnitte, die es um Varna so gab. An einem Abend machten wir ein Lagerfeuer am Strand und aßen dort, während es ein leichter Nieselregen niederging. An einem anderen Abend gingen wir trinken und tanzen - erst saßen wir in einer ziemlich schicken Bar, wo ich mir extrem underdressed vorkam, dann etwas alternativeres und zum Schluss schließlich ein großer populärer Club, mit bulgarischer Popmusik, welche sehr viel mehr orientalische Einflüsse hat, als z.B. die rumänische. Danach sprangen wir nachts halb fünf noch einmal nackt ins Meer. Er überließ mir sein Bett und schlief woanders, ich kam mir vor wie im All-inclusive-Urlaub. Nach der Geschichte mit der gestohlenen Geldbörse bekam ich noch einmal einen komplett anderen Eindruck von der Stadt. Der Seepark, die Strände, die Natur um Varna herum, die Strandbars, das Thermalbad, die wunderschönen alten Häuser im Stadtzentrum, das Konzert am letzten Abend, und natürlich mein fürsorglicher Gastgeber sorgten dafür, dass ich mit einem positiven Gefühl abreiste. Mehr noch, als ich schließlich am Bus stand und es Zeit war, Adieu zu sagen, war ich doch ein wenig traurig. Für mich eindeutig ein Beweis, dass Couchsurfing eine großartige Idee ist.
  
 














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