Montag, 20. August 2012

In Zagreb einmal um die eigene Achse drehen

Die letzte Station, der letzte Zug nach Hause

Mein Belgrader Gastgeber brachte mich zum Bahnhof, wo wir ein Weilchen hatten, um Abschied zu nehmen. Seltsame Situation, wie wir da so standen und uns anschauten. Der Zugbegleiter, bei dem ich noch den Aufschlag für das Nachtzugticket kaufen musste, war wohl offensichtlich betrunken, wie mich mein Belgrader Freund hinwies und ich sollte vorsichtig sein, was ich bezahlte.
Irgendwann rollte der Zug aus Belgrad heraus, ich trank ein warmes Bier, das ich beim Zugbegleiter noch gekauft hatte und saß auf meiner Liege. Es war ziemlich warm und ich schlief praktisch nicht in dieser Nacht. Nach all den missglückten bzw. nichterfolgten Wecken durch Schaffner, war ich misstrauisch. Ich war allein im Abteil und hätte das eigentlich nutzen können. Naja, das tat ich auch, indem ich eben mehrmals aufstand und aus dem Fenster schaute. Kann man ja auch nicht, mit weiteren fünf Personen und Gepäck und Liegen überall. Folgendes beobachtete ich, keine Ahnung, ob wir da schon in Kroatien oder noch Serbien waren:



Irgendwann furchtbar früh kamen wir in Zagreb am Bahnhof an. Keine Wechselstube offen und ich war ja ohne Geldkarten unterwegs seit Varna. Also latschte ich in die Stadt, mitsamt meinen zwanzig Kilo auf dem Rücken. Irgendwann kam ich an einem schicken Vier-Sterne-Hotel vorbei. Ich stank bestimmt, ich war müde und verschwitzt, aber es war mir egal. Ehe ich weitere siebenhundert Meter oder wie weit es noch war, ins Zentrum lief, wollte ich es versuchen. Sie tauschten mir ausnahmsweise mein Geld, zehn Euro wollte ich ja nur. Ich drehte um, schloss meine Sachen in einem Bahnhofsschließfach ein und kaufte mir etwas beim Bäcker. Dann erneut in die Stadt und jetzt genoss ich es. Eine Stadt, die gerade erwacht, hat immer etwas magisches, finde ich. Noch kein Verkehr, alles noch in einem morgendlichen Licht, noch kurz vor der Hektik des Berufsverkehrs, keine Touristen und das Tagesgeschäft der Anwohner beginnt. Ich lief kreuz und quer umher und genoss es. Ich war ganz schön kaputt vom Schlafmangel und bald auch vom Umherirren und so setzte ich mich denn auch erstmal auf eine Treppe und las. Dann ging es weiter, auch in die Touristinfo.








Was war das wichtigste, was ich in Zagreb tat? Hm, vielleicht drei Dinge:

Der Mirogoj-Friedhof, beeindruckend, heiß, bedrückend (weil gerade auch eine Beerdigung stattfand und ich mit meiner blöden Kamera Tudmans Grab suchte), wunderschön die Arkadengänge.







Ein Second-Hand-Plattenladen, wo der Verkäufer sich bemühte, mir etwas kroatische Musik herauszusuchen, die ich kaufen würde. Leider nichts, was mich vom Hocker gehauen hat dabei, aber dafür ein wahnsinnig netter Inhaber, wie gesagt, sehr bemüht. Der Laden hieß Dobar Zvuk und ist in einem Hof in der Preradoviceva 24 versteckt.

Das Museum der zerbrochenen Beziehungen, wo Artefakte auseinandergegangener Liebender ausgestellt werden. Aufmunternd? Nun ja, nicht wirklich, auch wenn das eine oder andere Ausstellungsstück ein Schmunzeln aufs Gesicht zaubert. Das Ende einer Reise mit zerbrochenen Beziehungen zu verbinden, warum denn eigentlich nicht?











Das Schild des Museum ist links unten im Bild zu sehen. 




Zwischendurch kaufte ich mir ein Eis in einem Supermarkt und musste dafür siebzig Kunar bezahlen. Ungefähr, genau weiß ich es nicht mehr. Jedenfalls mischte sich unter die Zehner auch ein serbischer Dinar-Schein und ich wurde von der Verkäuferin nur angeblafft: "Euro nehmen wir nicht!". Das war mein amüsantestes Zagreb-Erlebnis.

Irgendwann nahm ich dann den Zug nach Deutschland. Schlief ziemlich schnell, schlief durch, bekam die Zusteigenden nicht mit, schlief bis München. Der Alex-Zug nach Regensburg, den ich wohl auch schlafwandelnd finden würde, vorher eine Stärkung bei Yormas, irgendwie alles bereits sehr "zuhause". Und dann abends meine Mädels, ein paar großartige Kurzfilme, Bier und immer noch ganz viel Müdigkeit. Aber wieder dahoam, wieder in den vertrauten vier Wänden, wieder auf der eigenen Matratze.

Und der Beste der Kurzfilme brachte mich wieder ein Stück nach Rumänien. Und am Ende waren sowohl der Protagonist als auch ich da, wo wir in dem Moment hingehörten:



Trailer "Hunde wie wir" from simon on Vimeo.



Einen schöneren Abschluss für eine großartige Reise kann es kaum geben. Alle Stationen zum Nachlesen gibt es, wenn man rechts unter Lables oder hier auf Balkantrip klickt.

Samstag, 18. August 2012

Nach Belgrad über verschlungene Pfade

Ich brach schweren Herzens aus Istanbul wieder auf, allerdings auch mit dem Ziel, in Belgrad meinen Lieblingscouchsurfer zu treffen, demzufolge freute ich mich auch auf meine nächste Station. Am Bahnhof erfuhr ich, dass es den von bahn.de angezeigten Direktzug nach Belgrad nicht gab. Existierte einfach nicht. Nun gut, also auf einen Anschluss in Sofia warten. Allerdings gab es streng genommen auch keinen Zug nach Sofia. Es gab einen Bus bis zur bulgarischen Grenze und von dort einen Zug nach Sofia. Ich kaufte mir einen Balkan-Flexi-Pass (5 Tage quer durch die Türkei, Griechenland, Rumänien, Serbien, Kroatien, Mazedonien und Montenegro für 50 Euro!) und einen Aufschlag für den Nachtzug, was ich später noch ein wenig bereute. Als der Bus für eine Pause hielt, quatschte ich einen jungen Tschechen mit einem T-Shirt von einem Klagenfurther Ruderwettbewerb an – ich dachte, er wäre Österreicher und ich könnte Deutsch mit ihm reden, ich war nämlich ziemlich müde und da fand ich das einfacher. Er stellte sich also als Tscheche heraus und verriet mir bereits, dass es keinen Anschlusszug in Sofia geben würde. Was ich ihm natürlich zunächst nicht glaubte. Schließlich meinte bahn.de... Aber lassen wir das.

Der Bus hielt schließlich nachts um zwei am Grenzbahnhof, wir stiegen aus und schnappten unser Gepäck und kampierten auf dem Bahnsteig. Denn Der Zug würde erst nach vier Uhr eintreffen. Das ist auch der Grund, warum ich es bereute, mit der Nachtzugkarte. Andererseits, so habe ich wenigstens ein paar Stunden geschlafen. Ich spielte mit dem Tschechen Dame, ich glaube, er schlug mich mehrmals und hing todmüde herum. Noch dazu war es nicht besonders warm, nachts um drei im Niemandsland zwischen der Türkei und Bulgarien und alle waren eigentlich recht leicht bekleidet. Mir ging alles auf die Nerven und so war ich froh, als der Zug einfuhr. Mit mir im Abteil ein paar britische Mädels, die sehr aufgeregt waren – ihre erste Nachtzugreise. Ich war weniger aufgeregt, sondern einfach nur müde und schlief durch. Bis der Schaffner irgendwann hielt und meinte: „Sofia!“. Ich versuchte die allgemeine Panik etwas zu dämpfen, in dem ich darauf hin wies, dass man immer eine halbe Stunde vor Zugeinfahrt geweckt würde. Wurden wir aber nicht. Zum Zeitpunkt, als der Schaffner an die Abteiltür klopfte, standen wir im Hauptbahnhof Sofia. Und er wollte uns nun möglichst schnell aus dem Zug haben. Ich raffte alles zusammen und traf in der Bahnhofshalle wieder den Tschechen und seinen ebenfalls tschechischen Freund. Sie hatten bereits ausgecheckt, dass es keinen Zug nach Belgrad gab, wo sie auch hinwollten. 

Ich hatte bereits in der Nacht mit dem Tschechen beschlossen, gemeinsam durch Sofia zu streifen, wenn dem so wäre, und so taten wir das dann auch. Wir gingen Richtung Innenstadt und hielten unterwegs am Thermalbad, wo wir am Brunnen ein wenig unseren Durst stillten. Das Thermalbad selbst war natürlich geschlossen, aber bei der Hitze kam auch niemand ernsthaft auf die Idee, sich in warmes Heilwasser zu legen. 

Die nächste Station war die Kathedrale, die mich beeindruckte. Eigentlich bin ich es ja leid, immer in irgendwelche Kirchen reinzugehen, die ja doch irgendwie alle gleich aussehen mit geringen Abstufungen und irgendwie zu versuchen, sich anständig zu benehmen, obwohl mir das Ganze rein gar nichts bedeutet. Ich fragte mich also mal wieder, ob ich nicht viel zu leicht bekleidet sei (in Rumänien gäbe es mit freien Schultern und ohne Kopfbedeckung zum Teil schon Ärger mit dem Priester), ging dann aber doch rein, schaute zur Decke und war beeindruckt. Ich machte die letzte Aufnahme, die meine Kamera noch hergab von dem Gemälde in der Kuppel, das einen rauschebärtigen, erleuchteten Gott zeigt, der die Arme weit ausbreitet. Es gefiel mir. Auch wenn ich wie gesagt, keinen Bezug zum Christentum und zu Gott habe, sprach es mich an in dem Moment.

Danach noch zum Stadion, vorbei an einer Art riesigem kommunistischen Paradeplatz mit entsprechenden Denkmal - "Monument der Sovjetischen Armee", wo gerade eine Art – aufgrund der Hitze sehr schlecht besuchte – Rave stattfand. Aus den Boxen schallte ironischerweise in ohrenbetäubender Lautstärke „We are the people – We got the power“. Aha. Zusammen mit den Helden des antifaschistischen Widerstands, die auf dem Denkmal dargestellt waren, gab das einen entzückenden Gesamteindruck.


(Bildquellen: http://bg.wikipedia.org/wiki/%D0%A4%D0%B0%D0%B9%D0%BB:Soviet_army_monument_in_Sofia_%28Bulgaria%29.JPG und http://en.wikipedia.org/wiki/File:Monument_to_the_Soviet_Army,_bas-relief_at_the_column_foot._3.JPG)

Nach einem ausgedehnten Spaziergang bei gefühlten 45°C im Schatten (tatsächlich wohl etwa zehn Grad weniger), begaben wir uns noch auf den Markt und deckten uns mit Obst und Keksen für die Weiterreise ein. Irgendwann ging ich dann noch allein in die Moschee und die zentrale Markthalle. Meine Kamera streikte übrigens in Sofia, der Akku wahr leer und der Ersatzakku in dem Rucksack, den ich bei der Gepäckabgabge im Bahnhof gelassen hatte. Aber soviel war auch nicht zu dokumentieren in Sofia – es war heiß und relativ menschenleer, es war ja auch Sonntag, so weit ich mich erinnere. 


Irgendwann hockten die zwei Tschechen und ich wieder am Bahnhof und wir warteten eigentlich nur noch auf unseren Zug. Ich hatte wieder einen Liegewaagen gebucht, die Männer gönnten sich diesen Luxus nicht. Ich teilte mein Abteil mit einer Japanerin, im Abteil nebenan war eine Belgraderin, mit der ich mich auch kurz unterhielt. Sie kaufte mir in Belgrad schließlich noch eine Fahrkarte für die Straßenbahn (die ich aber auch noch vergaß zu entwerten) und ließ mich von ihrem Handy aus meinen Couchsurfer anrufen. Es war früh um sechs, eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass der Zug früh um vier in Belgrad ankommen würde und das meinem Gastgeber auch so geschrieben per SMS. Er war jedoch sehr verwirrt, als er ans Telefon ging. Er sagte mir, welche Straßenbahn ich nehmen musste und wollte mich an der Haltestelle abholen. Dort stand er dann auch und wir gingen zu ihm, wo wir erst einmal noch ein paar Stunden schliefen.
Die Zeit bei ihm war sehr ruhig, der Ausklang der Reise, wenn man so will. Ich habe im Rückblick das Gefühl, ich wäre die ganze Zeit über sehr stumm gewesen und ich war auch einfach nur fertig nach Zügen über Zügen und immer wieder neuen Orten, Menschen, Reisebekanntschaften. Immer wieder muss man nett sein, etwas von sich erzählen, interessiert wirken und freundlich lächeln. Natürlich sollte man das immer, aber auf Reisen mit diesen Reiseabschnittsbekanntschaften ist es anstrengend, immer wieder seine Geschichte vorzutragen, immer wieder nett zu sein, wenn man doch eigentlich denkt: „Diese verdammten Interailer, fünfzehn Städte zwischen Istanbul und Barcelona in zwei Wochen... Die nerven!“ Und im Endeffekt war ich auch nur mit einer Art Interail-Ticket unterwegs und nur, weil ich bestimmt schon über zehn Nächte in Schlafwaagen verbracht hatte, war ich auch nicht besser als die Leute auf Abifahrt.
Jedenfalls freute ich mich, ein bekanntes Gesicht zu sehen, wieder bei dieser wunderbaren Familie aufgenommen zu werden, wo ich mich einfach nur fallen lassen konnte. Es war immer noch unerträglich heiß und so taten wir nicht viel, außer schlafen, quatschen, drinnen rumhängen. Abends gingen wir etwas trinken und vor meiner Weiterreise gingen wir noch zum See baden.
Leider blieb ich nur zwei Tage. Ich wollte noch einen Zwischenstopp in Zagreb machen, ehe ich komplett nach Hause fuhr. Von dort hatte ich ein weiteres Nachtzugticket nach München. Und das ist dann auch die letzte Geschichte dieser Reise. 

Das einzige Bild, dass ich von Belgrad geschossen habe - der abfahrende Zug, im Hintergrund rechts noch ein bisschen Novi Beograd. Wer Bilder will, schaut sich hier die vom letzten Mal Belgrad an: http://lost-in-cluj.blogspot.de/2012/05/balkan-roadtrip-deluxe.html oder hier von einer Exkursion 2011: http://lost-my-name.blogspot.de/2011/06/belgrad-mai-2011_01.html und http://lost-my-name.blogspot.de/2011/06/belgrad-mai-2011.html.

Freitag, 17. August 2012

Get to know your enemy...


Irgendwie doch sehr schön, nicht? Ich sollte mich mit den Tierchen dennoch nicht anfreunden, denn eigentlich sollte ich hier Spinnweben bekämpfen und nicht anfangen, schöne dicke Monsterspinnen zu züchten. Wobei die mir vielleicht wieder gegen die Marder behilflich sein könnten. So eine Kankra im Mini-Format auf den Dachboden und Ruhe is'...

Samstag, 11. August 2012

Istanbul – Zwischen den Welten



Mit einem Nachtbus der türkischen Busgesellschaft Metrolines brach ich von Varna nach Istanbul auf. Ich saß neben einer jungen Tartarin, die in Istanbul studierte, aber aus Bulgarien kam, und die mir noch sehr viel weiter helfen sollte. Der Bus war hypermodern, in jedem Sitz war ein kleiner Fernseher eingelassen, den man benutzen konnte, wenn man türkisch verstand. Es gab Wasser und Tee, allerdings wurde ich ziemlich schnell von der etwas giftigen Stewardess ignoriert, vielleicht, weil es sie nervte, dass ich weder bulgarisch noch türkisch verstand. Vielleicht, weil Touristen sie nervten. Ich schlief sehr wenig. In Bussen schlafe ich generell schlecht und dann kam ja auch noch mitten in der Nacht, ich denke so gegen zwei Uhr, kann mich aber nicht mehr recht erinnern, die Grenze. Das hieß: raus aus dem Bus, warten, Ewigkeiten an der Passkontrolle anstehen, wo es keine Toilette gab, wieder zum Bus, warten, Gepäck holen, warten, mit dem Gepäck durch den Zoll, warten, rein in den Bus. Die Grenzkontrolle war relativ schnell erledigt – Stempel in den Pass und fertig. Die Zollkontrolle war aufwändiger. Wie am Flughafen gab es ein kleines Gepäckband und so ein Gerät, wo das Gepäck durchleuchtet wird. Ich legte auf das Band – einen riesigen Trekkingrucksack, eine grüne Tasche, die mein Handgepäck war, einen Schlafsack. Heraus kamen der rote Trekkingrucksack und die grüne Tasche. Ich wartete. Zwei Personen gingen vorbei, nahmen ihr Gepäck auf, aber der Schlafsack blieb verschollen. Ich war müde, ich war genervt, ich dachte darüber nach, den verdammten Schlafsack zurück zu lassen. Aber ich wollte ja noch weiter couchsurfen und ich dachte doch, dass ich ihn vielleicht noch brauchen würde und so ging ich zur Stewardess. Eine schlechte Idee. Mit Handbewegungen bedeutete sie mir, endlich einzusteigen und schimpfte ein bisschen auf mich ein, in einer Sprache, die ich nicht verstand. Ich gab nicht auf. Ging zum Bus, zu meiner süßen Sitznachbarin, die sehr gut Englisch konnte und erklärte ihr mein Problem. Wir gingen zurück zum Zoll und erklärten es dem Zollbeamten. Der guckte auf seinen Bildschirm – nichts zu sehen. Die Stewardess hatte einen triumphierenden Blick und wollte bereits wieder mit herumscheuchen anfangen, da kletterte der Zollbeamte aufs Gepäckband und schaute in die Maschine. Als er diese schwarzen Plastikvorhänge hob, sah ich meinen Schlafsack schon, die ungeduldig werdende Stewardess aber nicht. Ich war froh, dass ich selber noch Wasser dabei hatte, von ihr würde ich wohl auf der restlichen Fahrt nichts mehr bekommen. Nach einer Weile und einigen Herumzerren, denn der Schlafsack hatte sich wohl im Inneren des Gepäckröntgengeräts verfangen, kam der Zollbeamte mit meinem Schlafsack. Nun aber husch in den Bus. Sonst würde die Stewardess dem Busfahrer anweisen, uns am Fahrbahnrand auszusetzen.



Der Rest der Reise war ruhig, wenn ich auch nicht mehr wirklich schlief. Als die ersten Vorstädte von Istanbul auftauchten war ich wach und neugierig. Wieder in dieser Riesenstadt zu sein, die so fern von allem liegt, was man sich vorstellen kann. Ich war bereits zwei Mal da und wieder würde es ein vollkommen anderes Erlebnis sein. Das Istanbul zwar mein eigentliches Ziel der Reise, der Grund meines Wegs entlang der Schwarzmeerküste und meines Rückwegs über Belgrad war, aber dennoch eben nur ein Zwischenziel zwischen Varna und Belgrad, passte dazu ganz gut. Istanbul liegt dazwischen, zwischen den Welten, wenn mir die Benutzung dieses Klischees erlaubt sein möge. Natürlich, die alte Geschichte – der Balkan, wo Orient und Okzident aufeinanderprallen und gewissermaßen Istanbul als Hauptstadt des Balkans. Ehemaliges Zentrum der Orthodoxie, heute muslimisch, aber auch säkular. Eine europäische moderne Gesellschaft, Säkularität und Konsum treffen auf eine traditionelle islamische Gesellschaft mit traditionellen Werten, Gelassenheit und Gastfreundschaft. Der Bospurus ist keine Trennlinie, sondern ein Übergang und mit seinem Wasser schwappt ein Hauch Ost nach West und umgekehrt. Die Stadt ist riesig, die Stadtteile an sich schon so groß wie einzelne Städte, so verschieden wie einzelne Städte, so bunt wie die Welt. Natürlich, die Mengen an Touristen die durch die Straßen fluten, aber dann läuft man wieder durch das Wohnviertel in Besiktas oder sitzt im Frühstückscafé und sieht keine Backpacker, keine Kulturtouristen und niemanden auf Cityhopping oder Shoppingtrip. Man kan verloren gehen in dem Straßengewirr, man kann verloren gehen, in den Gassen um den großen Basar, man kann verloren gehen, beim Herumlaufen auf der asiatischen Seite, man kann sich vergessen, beim Blick auf das Wasser. Und man kann sich finden. Kann sich sicher sein, dass man da ist, wo man hin wollte. Das alles gerade richtig ist. Das Istanbul der Ort ist, der gerade das Lebensgefühl am Besten ausdrückt. Diese Stadt, die das rosarot-romantische Ziel aller hippiesken Hitchhiker ist, aller lässiger, verträumter Rucksacktouristen verspricht viel und hält das meiste. Ich bin immer wieder fasziniert, wenn ich hinkomme. Auch ich hatte eine Istanbulidee im Kopf und ja – sie wurde hundertprozentig erfüllt.



Meine Sitznachbarin hatte mich noch auf ihrer Fahrkarte ein paar Stationen ins Stadtzentrum mitgenommen und dann fuhr ich noch einmal ein paar Stationen mit einem anderen wunderbaren Istanbuler mit. Ich bin immer wieder fasziniert, wenn ich vollkommen uneigennützig Hilfe von wildfremden Menschen erhalte. Und dann klingelte mein Telefon. Das Fräulein rief an. Sie wollte sich in einer Stunde in Taksim mit mir treffen. Ich wusste ungefähr, wo ich hin musste. Gerade war ich in der Nähe vom Bahnhof, und ganz da in der Nähe war eine Fährstation. Ich musste nur einen Ort finden, um Geld zu tauschen und mir eine Fahrkarte zu kaufen und ich wäre schwuppdiwupp in Taksim. Doch im Bahnhof gab es kein Tauschbüro. Weit und breit war keines zu sehen. Ich setzte mich kurz, blickte aufs Wasser und überlegte. Vielleicht war es das morgendliche Glitzern des Bosporuswassers, vielleicht war es der Übermut, am Ziel der Träume zu sein, ich beschloss jedenfalls, zu laufen. Ich hatte keine Karte und so lief ich vermutlich einen riesigen Umweg, aber irgendwann war ich in Taksim und irgendwann fragte ich dann auch noch jemanden, wo der Burger King war, wo ich mich mit dem Fräulein treffen wollte. Ich war etwa eine Stunde gelaufen. Ich war tatsächlich schweißgebadet, nicht nur metaphorisch. Ich war erschöpft und doch immer noch glücklich, und da, da stand sie. Jetzt war ich überglücklich. Dass das geklappt hatte, dass sie tatsächlich vor mir stand, dass wir uns in Cluj getrennt und in Istanbul wiedergefunden hatten, wobei für mich an einem Punkt in Varna die Reise fast vorbei gewesen war, all das grenzte an ein Wunder.

Wir beschlossen, erst einmal einen Tee zu trinken. Einen türkischen. In irgendeinem Straßencafé, ganz egal. Hauptsache kurz sitzen. Als uns dann noch die Männer vom Nebentisch einen halben Simit rüberreichten, war alles perfekt. Genau das hatte ich mir für meinen ersten Morgen in Istanbul gewünscht – einen türkischen Tee und einen Simit. Ich konnte mein Glück kaum fassen.
Mein Geldproblem war damit auch gelöst und ich war gespannt auf alles, was da kommen mochte.

Die Tage in Istanbul waren traumhaft. Wir latschten ganz oft durch die Gegend, um die Stadtteile zu erkunden und entdeckten niedliche Straßen, wo wir am liebsten wohnen wollten, kleine Parks und kleine Cafés, Streetart und Berlinflair, was vor allem dem Fräulein, die ja eigentlich ein echt Berliner Frollein ist, gefiel. Wir fuhren Fähre und ich liebte es – Wind, Wasser, eine Stadt an beiden Ufern, Spannung und Aufregendes wohin das Auge blickt. Wir gingen in den Topkapi-Palast, waren aber schnell genervt von der Hitze und den Unmengen an Touristen, waren nicht aufnahmefähig genug, verharrten dafür aber ewig auf den diversen Terrassen um Bilder mit Bosporuspanorama im Hintergrund zu machen. [Verzeihung, dass ich hier keine einstelle, ihr wisst schon, ich mag hier alles hübsch anonym gestalten.]

Wir gingen auf den großen Basar, ich jagte vergebens nach den Flatterhosen, die ich das letzte Mal in Istanbul erstanden hatte, jetzt waren eben „Haremshosen“ in. Dafür fand ich die feinen gehämmerten Messingohrhänger wieder und kaufte für meine Freundinnen gleich ein halbes Dutzend. Wir kauften noch kleine Keramikschälchen, das war es dann aber auch. Ich machte am letzten Tag vor meiner Abreise noch ein paar Einkäufe, zum Beispiel diese winzigen Täschchen im Teppichlook, die gut für Kleingeld und Perso beim Tanzengehen sind, und ein paar billige Turnschuhe, die vermutlich kein Original der Marke sind, die drauf steht.



Ein Highlight des Aufenthalts war ein Konzert der Takatuka-Band, die mich via Couchsurfing zu ihrem Konzert eingeladen hatte. Keine schlechte Masche, eine Menge der Anwesenden beim Konzert schienen Couchsurfer zu sein, aber es lohnte sich dennoch sehr. Die Location war ein Club in der obersten Etage eines Hauses in Taksim, mit Blick über Istanbul. Die Band bestand aus mehreren Leuten, heraus stach aber der unheimlich attraktive Sänger, der auf der Bühne unentwegt lächelte. So ein schöner Mann, so ein unglaublich schöner Mann. Wir tanzten sehr viel und tranken Bier, auch wenn das unglaublich teuer war. Ein paar Wochen später in Bukarest erfuhr ich von einem in Istanbul lebenden Spanier den Grund: In der Türkei versuchten konservativ-muslimische Kräfte gerade, islamische Grundsätze wieder stärker durchzusetzen und wollten dementsprechend Alkohol am Liebsten verbieten, wie in anderen islamischen Ländern, wenn dies nicht ging, dann aber wenigstens sehr teuer machen. Der Abend war großartig, auch der DJ, der auflegte, als die Band eine Pause machte, hatte eine klasse Playlist, die er aber auf Anfrage nicht mitteilen wollte.




Das größte Event in Istanbul war aber wohl der Geburtstag des Fräuleins. Meine Reise nach Istanbul war auch damit begründet, dass wir diesen zusammen feiern wollten, in Istanbul. Wir waren von einer Freundin des Fräuleins zu einem Couchsurfer umgezogen und warteten an dem Abend darauf, dass irgendwann in der Nacht des Fräuleins Mitbewohnerin aus Berlin eintreffen würde. Das Fräulein hatte sich ein wenig zur Ruhe gelegt, ich zog mit dem Gastgeber los und kaufte Kuchen und Kerzen, um ihr eine Geburtstagsüberraschung zu bereiten. Und so wurde das Fräulein dann mit Eistorte geweckt, die wir daraufhin in Ermangelung eines Eisfaches verspeisen mussten. Die Mitbewohnerin kam auch noch an in dieser Nacht und so lagen wir schließlich zu dritt in der Wohnküche unseres Gastgebers und pennten ein wenig – am nächsten Tag wollten wir zur Prinzeninsel aufbrechen. 
Die Prinzeninsel für die Berliner Prinzessinnen, die Geburtstagsprinzessin und die Prinzesinnnenmitbewohner- und -besucherin. Außerdem noch mit am Start, die Prinzessinnenfreundin, bei der wir die ersten Nächte geschlafen hatten. Perfekt. Die Insel war ein Blütenmeer. Wir versuchten vergeblich, ein Kloster zu finden, das war dann aber auch nicht schlimm, denn so saßen wir einfach irgendwo unter Kiefern und schlürften Tee. Wir hatten an der Straße Obst gekauft und verdrückten dieses. Wir redeten, über Emanzipation, Diskurse und diskursgeschädigte Personen – für mich war es der vielleicht intellektuell ansprechendste Punkt der Reise. Ok, ok, die Gespräche mit meinem Varnaer Host gingen zum Teil auch über meinen Tellerrand heraus und auch mein Belgrader Host gibt mir durchaus immer Denkanstöße gibt, wenn ich bei ihm bin, aber dennoch, fand ich das Gespräch sehr anregend.
Wir wollten abends zum Geburtstag feiern dann noch mal zur Takatukaband und es war eine ziemliche Enttäuschung. Die Musik war gut, die Stimmung war nicht vorhanden, die Anwesenden waren ein paar vereinzelte Couchsurfer und die Party ging ein Stockwerk tiefer im Erasmus-Club. Dahin gingen wir dann auch nach ein paar Liedern, als alle, besonders unser Gastgeber und sein Mitbewohner drohten einzuschlafen. Wir tanzten zu den besten Erasmus-Hits aller Zeiten (also der gleichen Musik, die auf Erasmus-Feten in Cluj, Madrid, Stockholm oder Krakau auch laufen würde) und es war wohl schon spät, als wir nach Hause gingen.

An meinem letzten Istanbultag frühstückten wir dann nachmittags um zwei in einem Terrassencafé im vierten Stock. Ich blickte auf die Aya Sofya, die Berlinerinnen auf die Blaue Moschee und so war jeder hochzufrieden. Zudem gab es ein sehr gutes Frühstück incl. kostenlosem Tee zu einem annehmbaren Preis. Das Fräulein und ihr Besuch brachen zur Blauen Moschee auf, ein Traum, den sie für diese Reise gemeinsam hatten, ich schlug mich noch einmal zum Basar durch, um letzte Einkäufe zu erledigen und ein letztes Mal in dem Gewirr der Gassen verloren zu gehen. Wir trafen uns wieder, holten meine Sachen und ich stieg in den Bus Richtung Sofia. Die Reise nach Belgrad war nicht so einfach und geradlinig, wie es mir bahn.de anzeigte, aber das ist schon wieder die nächste Geschichte.

Sonntag, 5. August 2012

Varna - Glück im Unglück



Ich nahm von Vama Veche also den Minibus nach Varna. Ich war die einzige, die in Vama Veche zustieg, aber es waren noch ein paar rumänische Touristen mit an Board, die allerdings bei den übichen Touristendestinationen entlang der Schwarzmeerküste abgesetzt werden wollten. Ich hatte keine Ahnung, wo ich hinwollte, eben nach Varna, am Besten erstmal an den Busbahnhof, dann konnte ich gleich schauen, wie ich weiter kommen würde. Der Fahrer hatte auch keine Ahnung, wo es lang ging und verfuhr sich erstmal in einem Industriegebiet. Als die Straßen schmaler und ausgestorbener wurden, bekam ich es ziemlich mit der Angst zu tun. Ich war die einzige, die im Bus verblieben war und hatte keine Ahnung, wo er mich hinbringen wollte. Schließlich fand er aber den Busbahnhof. Ich stieg aus und irrte ein bisschen umher, suchte nach einem Geldautomaten und einer Touristeninfo. Eine Zimmervermittlung gab es sogar, allerdings war niemand zu sehen weit und breit und so beschloss ich schließlich, in die Stadt zu fahren. Ich wartete auf den Bus, von dem ich dachte, er könnte ins Zentrum fahren. Nach ein paar Halten wurde es ziemlich voll und es entstand ein Gedränge. Als ich ausstieg, war mein Portemonnaie weg. Darin waren meine Bankkarten (Visa und EC), mein Personalausweis, mein Studentenausweis, meine Versichertenkarte und eben mein Geld gewesen, glücklicherweise nur ca. 30 Euro. Ich bekam etwas Panik und rief sofort bei den Sperrhotlines an, dann überlegte ich, wie es weitergehen sollte. Ich hatte 45 Euro in einer anderen Tasche, dazu noch meinen Reisepass. Istanbul stand also eigentlich nichts im Weg - nur wusste ich, dass das Fräulein erst in drei Tagen dort sein würde. Ich hatte also drei Tage zu überbrücken und musste noch irgendwie nach Istanbul kommen, und das Ganze eben mit 45 Euro. Ich steuerte als erstes die Touristeninfo an, vielleicht konnte man mir da eine extrem günstige Unterkunft vermitteln und mir verraten, wie ich am Besten nach Istanbul kommen würde. Einen Zwischenstopp in Burgas hielt ich aufgrund meiner finanziellen Lage inzwischen für unmöglich, aber der Rest würde schon irgendwie funktionieren, hoffte ich. Zur allergrößten Not musste ich eben auf die deutsche Botschaft in Sofia fahren, die sind ja für solche Notfälle da. Am Strand schlafen, das ging mir noch durch den Kopf, ich verwarf es aber recht schnell wieder - allein mit ziemlich viel Gepäck und als Frau keine so gute Idee.




In der Touristeninfo wurde mir mitgeteilt, dass Übernachtungen ab 15 Euro begannen und der Bus nach Istanbul 30 Euro kosten würde. Ich hatte also für zwei Übernachtungen und zwei Tage Essen nur noch 15 Euro zur Verfügung, wenn ich den Bus über Nacht nehmen würde. Ich musste schauen, ob vielleicht der Couchsurfer, mit dem ich schon vor ein paar Tagen in Kontakt gewesen war, der aber meine letzte Nachricht nicht beantwortet hatte, vielleicht doch inzwischen geschrieben hatte. Und tatsächlich, da war eine Nachricht. Ich konnte bei ihm schlafen und er hatte seine Handynummer dazu geschrieben. Eigentlich war ich einen Tag zu früh dran, das heißt, eigentlich wollte ich eine Nacht später erst bei ihm übernachten. Hätte ich Geld gehabt, hätte ich das auch getan, aber so rief ich ihn sofort an und erzählte ihm, dass ich ein kleines Problem hatte. Er war sehr unkompliziert, sagte mir, wo ich hinkommen sollte, und wir trafen uns in einem Cafe.












In den nächsten drei Tagen verbrachten wir sehr viel Zeit mit essen, zum Beispiel traditionellen Käseteigtaschen, Banicy, zum Frühstück, bulgarischem Käse, Zuchinisuppe, gegrillten Auberginen und anderen Leckereien. Wir gingen jeden Tag zum Strand, dabei fuhr er mich mit dem Auto an die wunderschönsten Abschnitte, die es um Varna so gab. An einem Abend machten wir ein Lagerfeuer am Strand und aßen dort, während es ein leichter Nieselregen niederging. An einem anderen Abend gingen wir trinken und tanzen - erst saßen wir in einer ziemlich schicken Bar, wo ich mir extrem underdressed vorkam, dann etwas alternativeres und zum Schluss schließlich ein großer populärer Club, mit bulgarischer Popmusik, welche sehr viel mehr orientalische Einflüsse hat, als z.B. die rumänische. Danach sprangen wir nachts halb fünf noch einmal nackt ins Meer. Er überließ mir sein Bett und schlief woanders, ich kam mir vor wie im All-inclusive-Urlaub. Nach der Geschichte mit der gestohlenen Geldbörse bekam ich noch einmal einen komplett anderen Eindruck von der Stadt. Der Seepark, die Strände, die Natur um Varna herum, die Strandbars, das Thermalbad, die wunderschönen alten Häuser im Stadtzentrum, das Konzert am letzten Abend, und natürlich mein fürsorglicher Gastgeber sorgten dafür, dass ich mit einem positiven Gefühl abreiste. Mehr noch, als ich schließlich am Bus stand und es Zeit war, Adieu zu sagen, war ich doch ein wenig traurig. Für mich eindeutig ein Beweis, dass Couchsurfing eine großartige Idee ist.
  
 














Gewitter über Kallmünz

Eine Mitstudentin und gute Freundin wohnt irgendwo in der Oberpfalz. Der Ort heißt Kallmünz und hat den seltsamen, nur in Bayern anzutreffenden Status eines Marktes. Von der Größe her ein kleines, niedliches Städtchen oder großes Dorf, für diese Verhältnisse war aber zum Brückenfest sehr viel los. Zu eben diesem Fest beschlossen wir nun, nach zwei Jahren gemeinsamen Studium, diese Freundin endlich mal in ihrem Heimatort zu besuchen und uns selbst ein Bild von dem mysteriösen Stück Oberpfalz zu machen, in das sie regelmäßig verschwand.



Das Brückenfest wird von einer Künstlergemeinschaft organisiert, den Namen hat es von der Steinernen Brücke, die in den mittelalterlichen Teil des Ortes, fast könnte man meinen zur Festung, führt. Es wird bloß alle paar Jahre veranstaltet und ist begleitet von zahlreichen Ausstellungen und Konzerten. Dafür, dass Kallmünz nämlich eigentlich recht winzig ist, gibt es eine enorme Galleriendichte. Wir stellten auch die These auf, dass es vermutlich mehr Naturheilpraxen als Familien im Ort gibt, aber Gallerien gibt es wohl auch mindestens so viele, wie Häuser im historischen Ortskern, denn fast in jedem Haus ist eben auch eine Gallerie. Natürlich hat auch unsere Freundin gemeinsam mit anderen Freunden eine Gallerie und zum Brückenfest organisierte sie die Ausstellung von Werken eines serbischen Künstlers in der Stadthalle. Die Gallerien waren zum Fest alle geöffnet, so dass man sich die schönen Häuser und so man etwas davon verstand - auch die schöne Kunst anschauen konnte. Für mich waren vor allem die Häuser interessant, die sich in die Felsen schmiegten, die winzigen Gassen und die schiefen Wände, die kleinen Brücken über die Vilsgasse, die Gärten und Schänken an der Naab. Kallmünz ist einfach wahnsinnig idyllisch, hier ein paar Bilder:







Wir schauten herum und holten uns an den verschiedenen Ständen etwas zu essen, wie zum Beispiel am Stand der Deutsch-Fanzösichen Freundschaft einen Zwiebelkuchen. Zum Trinken organisierten wir uns noch ein Radler und schlenderten umher. Die Musik auf den verschiedenen Bühnen war leider nicht so gut, zum einen konnte man eine Schülerband hören, die die besten Hits spielte, die Schülerbands eben meistens so spielen – also Klassiker von den Stones und Beatles und ein paar aktuelle Hits, zum anderen etwas, was wohl im Programm unter Jazz lief, was aber ebenfalls nur sehr oberflächlich diesen Bereich abdeckte, nämlich die bekanntesten Lieder, die von der Allgemeinheit mit Jazz verbunden waren. Im Programm stand wohl noch etwas von einer Menge Spaß und guter Laune, vielleicht auch Stimmungsmusik, aber die war wohl eher an eine ältere Generation gerichtet und weckte in uns nur den Wunsch zu fliehen. 
Dafür bereicherte aber eine andere Band in der engen Vilsgasse das Fest mit ihrer Musik. Die Musiker waren kurz zuvor mit dem Fahrrad gekommen und spielten wohl, um sich etwas zu essen kaufen zu können. Aber das taten sie gut: 



Von Kunst verstehe ich leider nicht zu viel, ich bin aber immer beeindruckt, wenn sich Menschen offenkundig über die Qualität und Stärken bestimmter Bilder fachmännisch unterhalten können. Solchen Gesprächen konnte man viel lauschen, wir schauten uns aber einfach die Gallerien an, die zum größten Teil in kleinen denkmalgeschützten Häusern untergebracht waren.Und auf einmal stand ich dem Papst gegenüber. Zugegeben, ich war erschrocken. 


Unsere Freundin wuselte die ganze Zeit herum, wir trafen sie und ihren Freund später wieder und sie kündigte uns ein Konzert der Band ihres Bruders an. Natürlich würden wir uns das anhören, schon allein, weil es nach der Beschreibung "psychedelischer Rock" wohl besser sein würde, als alles, was wir davor gehört hatten. Wir nahmen auf den Strohballen vor der Bühne Platz, bekamen es aber bald mit der Angst zu tun, weil die Funken aus den Schwedenfeuern angefacht durch den Sturm der aufkam, sehr nah an ebendiese Strohballen heranflogen. Der Himmel verdüsterte sich zusehends...





Die Athmosphäre war klasse, die Musik war gut, aber leider leider fing es nach sehr kurzer Zeit an, wie aus Kübeln zu gießen. Gemeinsam mit dem restlichen Publikum suchten wir Zuflucht unter den über die Bühne gespannten Sonnensegeln, die das Wasser weitgehend abhielten, aber leider war damit der Abend für uns gelaufen. Mehr oder weniger durchweicht wollten wir es nicht darauf ankommen lassen, uns eine deftige Erkältung zu holen und fuhren nach Hause.
Dennoch ein sehr gelungener Abend. Kallmünz ist ein wunderschönes Örtchen, das man dringend mal besuchen sollte. Ich will auf jeden Fall nochmal hin, um mir die Burgruine anzuschauen. 

Und hier noch etwas Werbung:

 

Mittwoch, 1. August 2012

Constanta und Vama Veche

The end has a start


Die erste Etappe meiner Südosteuropa-Reise war am 21. Juni Constanta, die Perle der rumänischen Schwarzmeerküste, wie ich es mir vorstellte. Im Abteil des Nachtzugs war ich am Morgen, genau genommen seit Bukarest, allein. Ich schaute aus dem Zugfenster und wurde so langsam nervös. Das erste Mal an der Schwarzmeerküste und zugleich der Beginn eines großen Abenteuers. Denn so fühlte ich mich tatsächlich: zwei abenteuerliche Wochen lagen vor mir. Es war aber auch das Ende meines Erasmusaufenthalts, ich hatte bereits Cluj hinter mir gelassen und bald würde ich auch Rumänien vorerst verlassen. Ein gelungener Ausstieg aus dem Auslandssemester, der nun beginnen sollte.


Das Casino in Constanta


Es war heiß in Constanta, ich fand mich schnell zurecht und versuchte, zum Stadtzentrum zu gelangen. Ich wollte bei einer Couchsurferin pennen, die mich zunächst aber wegdrückte, als ich sie anrief. Ich war etwas verwirrt, aber schließlich rief sie zurück. Ich machte mir bereits etwas Sorgen, ob auch alles klappen würde, aber nach einem Marsch durch Constanta mit 25kg Gepäck (ich hatte ja mein ganzes restliches Auslandssemester eingepackt), traf ich sie dann am Strand. Wir sprangen kurz ins Wasser und weil sie sich nachmittags ausruhen wollte, erkundete ich allein noch etwas die Stadt, genau genommen das Historische Museum und das Römische Mosaik. Abends gingen wir gemeinsam zum Vergnügungspark, das heißt, neben mir waren die ganze Zeit noch eine Freundin und ihre Schwester dabei. Ich schlief am nächsten Tag lang, nur um festzustellen, dass meine Gastgeberin selbst nicht da war, sondern nur ihre Schwester und Freundin. Da die beiden Mädels kaum Englisch sprachen, beschloss ich, ein wenig allein rauszugehen und machte mich fertig. Währenddessen fingen die Mädchen an, wie wild etwas zu suchen, im Wohnzimmer, wo ich geschlafen hatte. Ich erfuhr, dass die Freundin eine Kette suchte. Als ich gerade dabei war, mich mit Sonnencreme zu marinieren, kam meine Gastgeberin wieder, empfahl mir, wegen der Hitze besser noch zu bleiben, also blieb ich, und sie beteiligte sich an der Sucherei. Ziemlich schnell war klar, dass ich die Hauptverdächtige war, obwohl ich keine Ahnung hatte, worum es so richtig ging, weil ich ja in dem Zimmer geschlafen hatte. Nachdem ich meinen  Rucksack vor aller Augen einmal komplett ausgepackt hatte, packte ich ihn wieder sorgfältig zusammen, sogar sehr viel ökonomischer und praktischer und beschloss zu gehen. Ich wusste, dass ich damit nur noch mehr Verdacht auf mich ziehen würde, aber da die Kette offensichtlich verloren gegangen war, konnte ich auch nichts tun, um den Verdacht auszuräumen und wollte nicht noch einen Tag in dieser seltsamen Athmosphäre der Anschuldigungen bleiben. Noch im Bus sendete mir meine Gastgeberin eine SMS, ich sollte doch bitte die Kette zurückgeben. Ein echt seltsames Erlebnis. Es brachte mich um die Möglichkeit, das Casino von innen und den Hafen von Nahem zu sehen, da ich Constanta fluchartig verließ - nach Mangalia, von wo aus ich weiter nach Vama Veche wollte.


In Mangalia dauerte es eine Weile, ehe ich mich orientiert hatte. Ich dachte schon, ich würde keinen Bus nach Vama Veche finden und deshalb eine Nacht bleiben - halb so schlimm, einen Strand und eine Pension gab es hier wohl auch, noch dazu ein archäologisches Museum. Aber schließlich saß ich an der richtigen Stelle auf dem Bordstein und wartete, und schließlich bog der richtige Bus um die Ecke. Ich fuhr bis Vama Veche, wo ich, mit meinem riesigen Trekkingrucksack hin und her wankend, aus dem Minibus stieg.



Eine ältere Frau kam auf mich zu und fragte, ob ich eine Unterkunft bräuchte und ich sagte gleich ja. Zehn Meter von der Bushaltestelle war der riesige Hof mit Weinreben, ein paar niedrigen Gebäuden mit ein paar Zimmern und vielen schattigen Sitzgelegenheiten. Es war Zufall, dass ich da landete, aber ich konnte mich über mein Einzelzimmer für 50 Lei mit Toilette und Dusche auf eben diesem Weinrebenhof nicht beschweren, es war einfach muggelig.



Ich ging sofort zum Strand und verbrachte eigentlich fast den ganzen restlichen Tag da. Irgendwann rief ich noch bei der Busgesellschaft an, die ein Schild an der Bushaltestelle hatte, auf dem Werbung für den Bus nach Varna um 9.00 morgens gemacht wurde. Ich reservierte einen Platz und verbrachte den Abend am Strand, beschallt von schlechter Musik an den Strandbars. Davor hatte ich einen riesigen griechischen Salat mit ganz viel weichem Balkankäse verspeist und einen viel zu starken Cocktail getrunken - ich war also eigentlich vorbereitet für eine lange Nacht.
Der Grund, warum diese dann doch nicht allzulang war, war eben die Musik, die mir in keiner der Clubs am Strand so recht zusagte und dass Publikum, dass von Hippies über Möchtegernhippies bis zu Prollos reichte. Zur Musik: In etwa das gleiche, was man überall hört, wenn man irgendwo zwischen Bukarest und Flensburg das Radio aufdreht oder in eine Mainstream-Disko geht, also aktuelle Charts, aber vor allem das Beste aus den '80ern, '90ern und von heute. Spricht ein breites Publikum an, ist auch mal ganz witzig, war aber an diesem Abend definitiv nicht mein Fall. Zu den Menschen: Ich sah an diesem Tag oft ein paar Menschen, die mir auffielen, wie die junge Frau, die einfach die ganze Zeit, auch abends noch, im Ortszentrum wie am Strand barbusig herumlief. Vama Veche ist ganz nett, das wilde Campen am Strand, was offiziell geduldet ist, sicher auch, aber eins ist es sicher schon seit ein paar Jahren nicht mehr richtig: Hippie. So viele Bars und Shops am Strand, die gleichen modischen pseudo-alternativen Billigsachen wie überall und der gleiche Wunsch wie überall, jung und wild zu sein. Um aber irgendwie noch ein bisschen aus der Masse herauszustechen sieht aber das Mädel zum Beispiel schon gar keine andere Möglichkeit mehr, als ohne Oberteil herumzulaufen, weil ja alle ach so hippie sind. Und die größte rumänische Biermarke - Ursus - wünscht mit Plakaten am Strand eine schöne Übernachtung im Hotel der tausend Sterne. Anti-anti-anticapitalista?






Für mich ging es deshalb ziemlich schnell nach einer Nacht weiter, das hat gereicht. Als ich an der Haltestelle stand und auf den Bus nach Varna wartete, unterhielt ich mich noch mit einem besoffenen Kerl, der ergebnislos versuchte, in Richtung Bulgarien zu trampen, aber eigentlich in Richtung Constanta wollte (dass er sich besser an die andere Seite stellen sollte, glaubte er mir nicht). Dass so kurz vor der Grenze niemand anhielt, um einen saudreckigen Menschen, ohne Schuhe, Pass und Geld, dafür aber mit einer Menge Restalkohol im Blut, mitzunehmen, war ja klar. Ich bot ihm an, ihm 5 Lei für den Bus zu geben, das wollte er aber nicht. Als irgendwann mein Bus kam, enterte er diesen ebenfalls, wobei ich zu diesem Zeitpunkt dann schon eher den Gesichtsausdruck "nein, der gehört NICHT zu mir" versuchte, konnte dann aber vom Busfahrer überzeugt werden, dass es die falsche Richtung für ihn sei, weil wir nach Bulgarien fuhren. Wir erreichten die bulgarische Grenze nach kurzer Zeit. Hier würde ich nichts mehr vestehen, hier würde das Abenteuer erst anfangen, aber das ist schon wieder eine andere Geschichte...