Dieser Text ist schon vor ein paar Monaten entstanden und jetzt hole ich ihn mal aus der Schublade. Ich versuche mal wieder etwas Neues in meinen Blog zu bringen und tagge es mit dem Anglizismus "Essays". Plural, weil in den Schubladen meines Geistes noch ein paar auf ihre Veröffentlichung warten.
Das man als Geisteswissenschaftler
keine Zukunft hat, als Taxifahrer oder Hartz-4-Empfänger endet, sind
altbekannte Klischees. Deswegen macht sich Angst breit, auch unter
der sogenannten Elite. Und so kommt es zu skurrilen Szenen...
Treffen sich zwei Historiker. Er hat
vor kurzer Zeit seine Doktorarbeit beendet und verteidigt, sie gerade
ihre Masterarbeit abgegeben. Die Verteidigung steht noch aus und sie
hat etwas Angst davor, da sie nicht einschätzen kann, was ihre
Arbeit wert ist. Aber prinzipiell steht beiden eine glänzende
Zukunft offen, da sie sicher nicht zu den Schlechtesten ihres Fachs
zählen und innovative Forschungsfragen untersucht haben in ihren
Abschlussarbeiten. Was wollen sie also machen aus ihrem Leben? Sie
unterhalten sich bei einigen Bieren.
Sie erzählt von dem Haus, welches sie
geerbt hat, dem Dschungel, der sich daran anschließt und mal ein
Nutzgarten war. Sie hat den Traum, diesen dieses Jahr herzurichten
und Tomaten zu pflanzen. Kürbisse anzubauen, Erdbeeren zu pflücken
und daraus Marmelade zu kochen, ein großes offenes Haus für Freunde
zu haben, in dem jeder zu jeder Zeit willkommen ist. Natürlich hätte
sie auch gern einen guten Job sagt sie. Aber sie möchte eine
gutbezahlte Stelle oder wenigstens eine erfüllende Beschäftigung.
Und wenn sie diese im Moment nicht findet, will sie sich auf jeden
Fall erst einmal um Haus und Garten kümmern. Aussteigen im Kleinen,
wenn auch vorerst nur für kurze Zeit.
Er erzählt ebenfalls von einem
geerbten Grundstück, in seinem Heimatland. Von einem geplanten
Gewächshaus. Von einer Reise, die er machen will, von einem Haus auf
einer griechischen Insel, wenn er sich irgendwann zur Ruhe setzt.
Die beiden trennt ein Doktortitel, ein
paar Jahre Altersunterschied und über tausend Kilometer Entfernung
der Geburtsorte. Auch wenn sie sich ähnlich scheinen im ersten
Moment, sie sind es nicht. Was sie eint, ist ihre akademische
Ausbildung und ihre Gedankenspielereien mit einem Job an der Uni, wo
man vielleicht nicht so viel Geld bekommt, aber der dafür ihren
Erwartungen entspricht. Aber wenn es alles nicht so klappt, dann doch
lieber Aussteigen aus dem Hamsterrad. Dann doch lieber Balkantour
oder Tomaten pflanzen. Die beiden sind nicht die Einzigen. Auch wenn
wohl die Mehrheit der Absolventen von einem möglichst gutbezahlten
Job träumt und einem geregelten Arbeitsleben nachgehen will, sind da
überall welche, die eigentlich lieber einen Ökobauernhof hochziehen
würden. Oder eine Rucksackreise machen und so schnell nicht
zurückkommen, vielleicht nie. Dabei sind sie auf den ersten Blick
ganz normale Studenten, keine die immer „etwas Soziales“ machen
wollten, dann den Großteil ihrer Studienzeit in der linken
Hochschulgruppe verbracht haben und zwischendurch schon einmal eine
längere Zeit von der Bildfläche verschwunden sind, weil sie sich
ausprobieren, neu orientieren oder regenerieren mussten.
Jetzt könnte man anfangen und die
Weltflucht der jungen Akademiker mit dem Zustand der Sozialsysteme,
der Zukunftsängste unserer Zeit und natürlich der sich stetig
verschlechternden Arbeitsbedingungen im Mittelbau der Universitäten
begründen. Stichworte: Befristete Arbeitsverträge,
Bologna-Bachelor-Bulumielernen, Dauerpraktika, halbe, viertel und
stundenweise Stellen, Ausbeutung überall. Aber trifft es das
wirklich?
Die Lifestylemagazine, die Gartenarbeit
als hip, Biobauern als Helden, Veganer als Weltretter und Auszeiten
als Grundlage eines nachhaltigen Lebens anpreisen, boomen. Noch ein
veganer Blog, noch ein DIY-Tutorial, noch ein Mädchen, dass nach
Rumänien gehen will, um sich den Bergbauern anzuschließen und mit
ihnen Schnaps und Käse zu teilen. Diese jungen Akademiker, die
eigentlich so reflektiert und aufgeschlossen sind, sind
diskursgeschädigt. Es ist kein schlechter Diskurs, der
Nachhaltigkeit als den einzig richtigen Weg anpreist, denn es ist
wohl der einzig mögliche, wenn die Menschen noch eine Weile auf
diesem Planeten leben wollen. Aber ein altes Sprichwort sagt:
Schuster, bleib bei deinen Leisten. Wenn das Geschichtsstudium den
beiden halbwegs zugesagt hat, sollten sie vielleicht etwas tun, wofür
sie ihre akademische Ausbildung benötigen können. Vielleicht retten
sie damit dann nicht die Welt, aber sie können ja nebenbei weiter im
Biomarkt einkaufen, Fahrrad fahren und Tomaten pflanzen.