Sonntag, 14. Juli 2013

Geisteswissenschaftler, die Tomaten pflanzen

Dieser Text ist schon vor ein paar Monaten entstanden und jetzt hole ich ihn mal aus der Schublade. Ich versuche mal wieder etwas Neues in meinen Blog zu bringen und tagge es mit dem Anglizismus "Essays". Plural, weil in den Schubladen meines Geistes noch ein paar auf ihre Veröffentlichung warten. 

 
Das man als Geisteswissenschaftler keine Zukunft hat, als Taxifahrer oder Hartz-4-Empfänger endet, sind altbekannte Klischees. Deswegen macht sich Angst breit, auch unter der sogenannten Elite. Und so kommt es zu skurrilen Szenen...

Treffen sich zwei Historiker. Er hat vor kurzer Zeit seine Doktorarbeit beendet und verteidigt, sie gerade ihre Masterarbeit abgegeben. Die Verteidigung steht noch aus und sie hat etwas Angst davor, da sie nicht einschätzen kann, was ihre Arbeit wert ist. Aber prinzipiell steht beiden eine glänzende Zukunft offen, da sie sicher nicht zu den Schlechtesten ihres Fachs zählen und innovative Forschungsfragen untersucht haben in ihren Abschlussarbeiten. Was wollen sie also machen aus ihrem Leben? Sie unterhalten sich bei einigen Bieren.

Sie erzählt von dem Haus, welches sie geerbt hat, dem Dschungel, der sich daran anschließt und mal ein Nutzgarten war. Sie hat den Traum, diesen dieses Jahr herzurichten und Tomaten zu pflanzen. Kürbisse anzubauen, Erdbeeren zu pflücken und daraus Marmelade zu kochen, ein großes offenes Haus für Freunde zu haben, in dem jeder zu jeder Zeit willkommen ist. Natürlich hätte sie auch gern einen guten Job sagt sie. Aber sie möchte eine gutbezahlte Stelle oder wenigstens eine erfüllende Beschäftigung. Und wenn sie diese im Moment nicht findet, will sie sich auf jeden Fall erst einmal um Haus und Garten kümmern. Aussteigen im Kleinen, wenn auch vorerst nur für kurze Zeit.

Er erzählt ebenfalls von einem geerbten Grundstück, in seinem Heimatland. Von einem geplanten Gewächshaus. Von einer Reise, die er machen will, von einem Haus auf einer griechischen Insel, wenn er sich irgendwann zur Ruhe setzt.

Die beiden trennt ein Doktortitel, ein paar Jahre Altersunterschied und über tausend Kilometer Entfernung der Geburtsorte. Auch wenn sie sich ähnlich scheinen im ersten Moment, sie sind es nicht. Was sie eint, ist ihre akademische Ausbildung und ihre Gedankenspielereien mit einem Job an der Uni, wo man vielleicht nicht so viel Geld bekommt, aber der dafür ihren Erwartungen entspricht. Aber wenn es alles nicht so klappt, dann doch lieber Aussteigen aus dem Hamsterrad. Dann doch lieber Balkantour oder Tomaten pflanzen. Die beiden sind nicht die Einzigen. Auch wenn wohl die Mehrheit der Absolventen von einem möglichst gutbezahlten Job träumt und einem geregelten Arbeitsleben nachgehen will, sind da überall welche, die eigentlich lieber einen Ökobauernhof hochziehen würden. Oder eine Rucksackreise machen und so schnell nicht zurückkommen, vielleicht nie. Dabei sind sie auf den ersten Blick ganz normale Studenten, keine die immer „etwas Soziales“ machen wollten, dann den Großteil ihrer Studienzeit in der linken Hochschulgruppe verbracht haben und zwischendurch schon einmal eine längere Zeit von der Bildfläche verschwunden sind, weil sie sich ausprobieren, neu orientieren oder regenerieren mussten.

Jetzt könnte man anfangen und die Weltflucht der jungen Akademiker mit dem Zustand der Sozialsysteme, der Zukunftsängste unserer Zeit und natürlich der sich stetig verschlechternden Arbeitsbedingungen im Mittelbau der Universitäten begründen. Stichworte: Befristete Arbeitsverträge, Bologna-Bachelor-Bulumielernen, Dauerpraktika, halbe, viertel und stundenweise Stellen, Ausbeutung überall. Aber trifft es das wirklich?

Die Lifestylemagazine, die Gartenarbeit als hip, Biobauern als Helden, Veganer als Weltretter und Auszeiten als Grundlage eines nachhaltigen Lebens anpreisen, boomen. Noch ein veganer Blog, noch ein DIY-Tutorial, noch ein Mädchen, dass nach Rumänien gehen will, um sich den Bergbauern anzuschließen und mit ihnen Schnaps und Käse zu teilen. Diese jungen Akademiker, die eigentlich so reflektiert und aufgeschlossen sind, sind diskursgeschädigt. Es ist kein schlechter Diskurs, der Nachhaltigkeit als den einzig richtigen Weg anpreist, denn es ist wohl der einzig mögliche, wenn die Menschen noch eine Weile auf diesem Planeten leben wollen. Aber ein altes Sprichwort sagt: Schuster, bleib bei deinen Leisten. Wenn das Geschichtsstudium den beiden halbwegs zugesagt hat, sollten sie vielleicht etwas tun, wofür sie ihre akademische Ausbildung benötigen können. Vielleicht retten sie damit dann nicht die Welt, aber sie können ja nebenbei weiter im Biomarkt einkaufen, Fahrrad fahren und Tomaten pflanzen.

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