Cluj Electro beats
Die letzten Tage waren großartig, voll von ungewöhnlicher Musik, mit dem richtigen Maß großartiger Gesellschaft und guten Gelegenheiten zum Tanzen. In Cluj war das Clujotronic Electro Festival, organisiert von Deutschen Kulturzentrum und Centre Cultural Francais, in Kooperation mit der Fabrica de Pensule und dem Casa Tranzit, zwei alternativen Kunst- und Veranstaltungszentren in Cluj. Am Freitag war es in der Fabrica de Pensule, am Samstag im Casa Tranzit.
Am Donnerstag waren wir im Kino gewesen (The Avengers) und hatten davor und danach ziemlich viel getrunken. Davor gab es unter anderem eine Flasche selbstgebrannten Obstler (Țuica) vom Markt, originalgetreu in der Plastikpepsiflasche verkauft. Der Film gefiel mir gar nicht, aber ich war auch nicht in der Stimmung, mich darauf einzulassen. Die 3D-Effekte fand ich total sinnlos, ich konnte dem überhaupt nichts abgewinnen und die Story war auch ziemlich freakig. Gut, es geht um Freaks, äh, Superhelden, aber irgendwie habe ich das Gefühl, man hat versucht möglichst viel Actionkino in einen Film zu packen und musste dann halt noch irgendeine Geschichte dazu erfinden. Danach ging es noch weiter ins Insomnia, wo wir andere Erasmusstudenten trafen und noch ein paar Bier tranken und später noch ins La Gazette, wo weitere folgten. Die Musik war nicht so mein Geschmack und so ging ich relativ früh. Auf dem Heimweg quatschte ich noch auf Rumänisch mit einem Typen, der ein paar Meter hinter mir lief. Naja, ich glaube, ich quatschte eher betrunken auf ihn ein, aber dennoch war das mal wieder ein Paradebeispiel für Fremdsprachenkenntnisse unter Alkoholeinfluss.
Am nächsten Tag brachte ich nicht wirklich etwas zustande. Es war sehr heiß und ich schlenderte durch die Stadt und aß Eis und schaute in den einen oder anderen Second-Hand-Laden herein. Bereits um acht sollte der Film beginnen, der den Auftakt zu Clujotronic bildete. Es handelte sich um Berlin - Sinfonie einer Großstadt, ein schwarz-weiß Dokumentarfilm ohne Ton aus dem Jahre 1927. Im Original ist er von einem Orchester vertont, auf dem Festival geschah die Vertonung natürlich live mit elektronischer Musik von Mastino Surfers. Der Film war extrem beeindruckend. Die Szenen zeigen einen Tag im Leben der Stadt. Vom Gesamteindruck finde ich, dass der Film versucht, die Modernität der Stadt zu zeigen. Es ist viel zu sehen, was symbolisch für die Industrialisierung (Lokomotiven, Fabrikarbeiter) oder die technischen Errungenschaften der Zeit (Paternoster, elektrisches Licht) steht. Es ist zu sehen, wie sich die Menschen vergnügen und was für opulente Speisen sie zu sich nehmen, es wird aber auch in einigen Szenen ein Bild auf das andere Ende der sozialen Leiter geworfen und Bettler und arme Leute gezeigt. Auch wenn beispielsweise die Darstellung der Fabrikarbeit meiner Meinung nach relativ unkritisch bleibt - die Assoziation Mensch-Maschine bei den Fabrikszenen hat man meines Erachtens nur aus unserem heutigen Blickwinkel heraus und ich denke nicht, dass diese Darstellung damals intendiert war - hinterfragt der Film dennoch an einigen Stellen die sozialen Verhältnisse, beispielsweise wenn auf riesige Menüs im Salon bettelnde Menschen folgen oder eine Zeitung abgefilmt wird und die Schlagzeile "Geld" fünfmal hintereinander eingespielt wird.
Den Film kann man scheinbar komplett auf Youtube schauen, allerdings weiß ich nicht, ob nur von Rumänien aus:
Danach gab es Käse und Wein vom französischen und Brezen und Bier vom deutschen Kulturzentrum im Hof des Geländes, dazu eine Videoinstallation an einer der angrenzenden Gebäude. Es war einfach wunderbar, mit einer Brezel und einem Glas Wein in der Hand und einem Stück richtig gutem Käse auf der Zunge dazusitzen und zuzuschauen, mit den anderen zu quatschen und über das Leben zu philosophieren, alles wirken zu lassen und zu genießen. Die laue Abendstimmung trug ihren Teil bei und so wurden wir von einer jungen Mitarbeiterin des Kulturzentrums mehrmals aufgefordert uns doch wieder in den Veranstaltungsraum zu begeben, wo das nächste Konzert begann. Es wäre unverzeihlich gewesen, das zu verpassen. Onyx Ashanti trat mit seinem sogenannten Beatjazz-Controller auf. Er hat kleine Geräte an den Händen und am Mund und durch Tastendruck und Hineinblasen kreiert er äußerst tanzbare Beats. Es ist einfach nur eine Wahnsinnsshow mit großartiger Musik. Der Raum war nicht gerade brechend voll und so gab es viel Platz zum Tanzen und wenn man mochte, konnte man sich auch an den Rand setzen, zuschauen und beeindruckt sein. Ich tat zuerst das Erstere, dann das letztere, trank dazu Radler - eine seltene Gelegenheit in Rumänien, da diese Getränk hier nicht besonders verbreitet ist - und war einfach nur ziemlich glücklich in dem Moment. Den Herrn Ashanti muss man sich bei seiner Performance übrigens ungefähr so vorstellen, nur noch in tanzender Bewegung eben:
(Bildquelle: http://images.gizmag.com/hero/beatjazzhands.JPG)
Ich war mit einer anderen Erasmusstudentin mit dem Fahrrad gekommen, da diese aber schon weg war, lehnte mein Fahrrad nun allein an der alten Fabrikmauer. Genauer genommen lehnte es an einer anderen Ecke - nach einem kurzen Schreck sah ich, dass es wohl jemand umgeparkt haben musste. Ich radelte los, traf aber schon nach einem Kilometer oder weniger eine andere Studentin auf dem Heimweg und lief dann mit ihr.
Am nächsten Tag war nicht an Ausschlafen zu denken, gemeinsam mit zwei anderen Erasmus-Mädels wollte ich zur Aktion "Let's do it Romania!". Frühmorgens um acht versammelten sich Freiwillige, um mit Bussen an verschiedene Stellen gebracht zu werden, wo sie Müll aufsammeln wollten. So auch wir. Ich hatte schon ein bisschen eher von der Aktion gehört und war sehr froh, nun mit netter Gesellschaft teilnehmen zu können. Wir fuhren ein ganzes Stück raus aus der Stadt und sammelten zwei Stunden in große Plastiksäcke eine illegale Müllkippe zusammen. Zu finden war alles, was man sich vorstellen konnte, von Kinderwindeln bis halbverottete BHs, sehr viel Bauschutt, FliesenGlas, Flaschen, aber auch Autoteile. Es war ziemlich heiß und die Arbeit war sehr frustrierend - man sah wenig Fortschritt und es war sehr anstrengend, so dass wir nach zwei Stunden bereits genug hatten. Wir holten uns am Startpunkt noch ein T-Shirt - weiß und in der Männergröße L - gingen dann im Wohnheim schnell duschen und noch gemeinsam Chinesisch essen.
Ich wollte eigentlich schon am Nachmittag wieder zum Clujotronic-Festival, schaffte es dann aber doch nur, ein Eis zu essen und ein bisschen durch die Stadt zu spazieren. Dafür ging ich am Abend mit meiner Mitbewohnerin los. Um neun sollte das Ganze beginnen, halb zehn waren wir da und es war noch nichts los. Da denkt man, wenn das Deutsche Kulturzentrum dabei ist, geht alles pünktlich über die Bühne, aber darauf ist wohl auch kein Verlass. Wir wurden musikalisch entschädigt, auch wenn ich den ersten DJ, Lionel Lauret, zwar gut, aber eher langweilig fand (und nach einer Stunde war es dann auch etwas eintönig). Ich weiß auch nicht, warum mit dem DJ begonnen wurde. So gesehen war es ja eine gute Einstimmung, etwas langsamer anzufangen, aber andererseits wollte man ja auch in Stimmung gebracht werden. Er spielte jedenfalls auch ein bisschen Electroswing und ein bisschen ins Tanzen kam man schon, aber das nächste war viel viel besser.
Sebastian Arnold. Allein auf der Bühne mit Schlagzeug, Synthesizer und Computer. So gewöhnlich sein Name auch klingt, so außergewöhnlich sein Konzert. Ich klaue mal die Beschreibung, die er selbst auf seiner Website liefert, weil ich es wohl kaum besser formulieren kan:
"Sebastian Arnold is a drummer and electronic musician living in Berlin, Germany. He is touring as a one-man-band playing drums and synthesizers, creating a danceable mixture of jazz, electronica and post-rock music by using his drumset to directly interact with the electronic equipment."(Quelle: http://blog.sebastian-arnold.net/)
(Bildquelle: http://blog.sebastian-arnold.net/wp-content/themes/sebastianarnold/images/sebastianarnoldnet.jpg)
Ich trank nur ein Bier den ganzen Abend und ich war so müde, dass ich fast im Stehen schlafen konnte, aber ich war genau in der Stimmung, um dazu - sogar relativ wild - zu tanzen. Die Mädchen mit den Aerobic-Übungen konnte ich natürlich nicht übertrumpfen. Um mich herum waren drei junge Frauen, in schwarzen Leggings, barfuß und mit grünen, orangen und blauen Kleidern, die in ihrer Performance und ihrem wilden Rumgespringe eher aussahen, als würden sie rhythmische Sportgymnastik betreiben, als dass sie zu einem guten Konzert tantzen. Ich unterhielt mich noch kurz mit einem Rumänen, der mich und meine Mitbewohnerin angesprochen hatte, und verschwand dann gegen eins, weil ich einfach total übermüdet war. Ein wunderbarer Abschluss zwei herausragender Konzerttage. Auch wenn ich die letzten DJs verpasste, ärgerte ich mich nicht. Man soll ja gehen, wenn es am schönsten ist und so hat alles perfekt gepasst.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen