Dieses Stencil habe ich nicht zum ersten Mal gesehen in Rumänien. Es zeigt den rumänischen Nationaldichter Mihai Eminescu, der im 19. Jahrhundert lebte und aufgrund seiner konservativen politischen Einstellungen gern von der politischen Rechten instrumentalisiert wird, darüber steht normalerweise "Besarabia" [Bessarabien] und darunter "Pamânt Românesc" [Rumänisches Land]. Es ist ein nationalistisches Graffiti, dass sich für eine Vereinigung der heutigen Republik Moldau - also der historischen Region Bessarabien - mit Rumänien ausspricht, bzw. feststellt, dass dieses Land eigentlich Teil Rumäniens ist. Die politische Union wäre damit eine notwendige Folge. Die Sache ist ziemlich kompliziert und viele Historiker und Politikwissenschaftler haben sich, unter anderen, bereits darüber den Kopf zerbrochen.
Ein kleiner geschichtlicher Exkurs
Kurz gesagt war Bessarabien bis 1812 Teil des Fürstentums Moldau, aus dessen westlichen Teil dann 1859 durch die Vereinigung mit dem Fürstentum Wallachei der erste rumänische Nationalstaat enstand. Bessarabien war zu diesem Zeitpunkt allerdings Teil des Zarenreichs und nahm somit nie an der rumänischen Nationalstaatsentstehung Teil. Nach dem ersten Weltkrieg entstand durch im Krieg gewonnene Gebiete das sogenannte Großrumänien, welches allerdings nur bis zum zweiten Weltkrieg Bestand hatte. Für etwa zwanzig Jahre war nun Bessarabien Teil Rumäniens, bevor die Sowietunion es sich wiederum einverleibte. Die rumänische Armee hielt es während des zweiten Weltkriegs besetzt, da Rumänien aber lange Zeit an der Seite der Deutschen kämpfte und erst 1944 die Seiten wechselte, wurde es als Verlierer behandelt und verlor unter anderem Bessarabien infolge der Friedensverhandlungen. Die Sowjetrepublik Moldawien enstand auf dem Gebiet. Nach der politischen Wende in der Sowjetunion wurde das Land unabhänig und heißt heute Republik Moldau. Die meisten westlichen Beobachter rechneten mit einem raschen Anschluss an Rumänien, dies ist aber immer weniger wahrscheinlich. Nicht zuletzt, weil das Land eine hohe ethnische Heterogenität aufweist (ca. 11% Ukrainer, 9%) und die Titularnation sich selbst zum Teil als eigenständige Ethnie, nämlich Moldauer, sieht, wird ein Zusammenschluss der Länder von etwa der Hälfte der Bevölkerung zurückgewiesen (Ergebnisse einer Umfrage). Nichts desto trotz beantragen viele Moldauer den rumänischen Pass, den sie bekommen, wenn sie eine rumänische Abstammung nachweisen können. Das ist nicht besonders schwierig, da offizielle Dokumente der Eltern, Großeltern oder Urgroßeltern aus der Zwischenkriegszeit eine rumänische Staatszugehörigkeit beweisen können.
Zurück zum Stencil
Ein Spaßvogel hat das Stencil auf dem Foto, aufgenommen im Mai 2012 in Cluj, jedenfalls manipuliert und die ersten drei Buchstaben weggekratzt. Somit ist nun Arabien Teil Rumäniens und nicht mehr Bessarabien. Wie das allerdings geschichtlich gerechtfertigt werden kann, ist mir schleierhaft.
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