Letzten Freitag ging es los. Während die anderen vom Feiern wiederkamen, begaben wir uns zum Bahnhof, ausgestattet mit allem, was man für ein Wochenende (und in meinem Fall eventuell zwei Tage mehr) so braucht. Am Start: das Frollein aus Berlin und ich. Das Ziel: Sfântu Gheorghe, eine kleine Stadt etwa 300km von Cluj. In der Woche des Feiertags des Heiligen Georg (23. April) wird dort jedes Jahr ein großes Stadtfest gefeiert, welches am letzten Sonntag im April endet.
Die Zugfahrt nach Sf. Gheorghe dauert eine ganze Weile. Sechs bis sieben Stunden ist man unterwegs, von Cluj gibt es täglich zwei Direktzüge, die durch den Norden des Landes gondeln, ehe sie irgendwann in Sf. Gheorghe eintreffen. Die Abfahrtszeit ist entweder zwei Uhr nachts oder drei Uhr nachtmittags, man kommt entweder früh um acht oder abends um zehn an. Irgendwie nicht so optimal, deswegen wurde kurzerhand bahn.de konsultiert - dein Freund und Helfer, wo auch immer du in Europa hinwillst. Und siehe da, es geht natürlich auch noch mit Umsteigen und so fuhren wir halb elf nach Brasov los und wollten gegen sechs Uhr abends in Sf. Gheorghe ankommen. Die Zugfahrt zog sich ein wenig, war aber ok, auch wenn die Klimaanlage nur teilweise funktionierte und die Dame gegenüber sich weigerte, das Zugfenster zu öffnen. Aber alles in allem doch recht komfortabel und so standen wir gegen fünf in Brasov am Bahnhof. Am Bahnhofsvorplatz schauten wir, ob Busse Richtung Sf. Gheorghe fuhren. Dass in etwas mehr als einer Stunde noch ein Zug fahren würde, wussten wir. Ein älterer Herr bot uns an, uns hinzufahren für 10 Euro, fünf Euro pro Person. Der Preis war ok, wir hatten ohnehin keine richtige Ahnung, wie weit es sein würde und wohin wir genau mussten und so entschlossen wir uns nach kurzem Überlegen, das Angebot anzunehmen. Der Typ quatschte uns dann die ganze Fahrt, vielleicht eine halbe Stunde, in gebrochenem Deutsch voll. Erzählte von seiner Familie, von Rumänien, von seinem Job als Fahrer für Touristen und das in einer Art, als wäre es auch seine Aufgabe, uns bestmöglich zu bespaßen. Im Stadtzentrum ließ er uns raus, das heißt, irgendwo zwischen Plattenbauten. Von einem Stadtfest war nicht viel zu sehen. Es waren relativ viele Leute unterwegs, aber nirgends war irgendwas, was auf ein Fest hindeutete. Wir liefen einfach der Masse hinterher und kamen ins eigentliche Zentrum des Geschehens, an eine Bühne, an einen Essensstand und in eine Menge Trubel. Das Frollein fragte zwei Mädels mit Rot-Kreuz-T-Shirts, ob sie wüssten, wo das Gymnasium sei, wo wir übernachten würden. Die Übernachtung hatte dankenswerterweise eine weitere Freundin organisiert, die noch bei ihrer Familie in der Nähe zu Besuch war und am nächsten Tag zu uns stoßen würde. Die Mädchen brachten uns hin und wir trafen kurz darauf die Frau, die uns den Schüssel gab, ließen unsere Taschen da und schauten uns in der Stadt um. Es gab insgesamt vier Bühnen, neben der großen Hauptbühne noch eine kleinere für weniger wichtige Auftritte, von uns also Minderheitenbühne getauft, da dort z.B. Folklore und Behindertengruppen zu sehen waren. Außerdem gab es noch eine Bühne für die Jugend, wo am ersten Abend Schulbands auftraten, sowie eine Bühne im Weingarten, wo z.B. Jazz und Blues zu hören waren.
Wir schlenderten umher, aßen
Kürtoskalacs und Langos mit Sauerrahm und Käse (die übliche siebenbürgische Variante), saßen herum, hörten uns die verschiedenen Musiker und schlenderten über den Markt. Wir gingne dann aber relativ früh ins Bett, denn am nächsten Tag wollte ja noch eine weitere Freundin dazu stoßen und die serbische Brassband Boban und Marko Markovic sollte auftreten, also wollten wir fit sein. Untergebracht waren wir ja im Internat einer Schule. Wir teilten uns ein Achtbettzimmer mit einer Frau und ihrer Tochter, die allerdings nur eine Nacht blieben und die Toiletten und Duschen auf dem Gang mit allen Menschen, die für das Wochenende in der Schule einquartiert waren. Es war kein Luxus, aber es war ok und es wäre wohl unmöglich gewesen, irgendeine andere Unterkunft zu finden an diesem Wochenende, denn die Stadt war voller Leute. Und irgendwie war es natürlich auch witzig, dieses Mädchenzimmer mit seinen kurzen Kinderbetten.
Am nächsten Tag setzten wir uns mit etwas Gebäck in den Park zum Frühstück und liefen danach durch die Stadt und hörten uns wiederum verschiedene Bands an. Zum Beispiel eine Gruppe Gypsy, die zur Musik eines Keyboards wild auf der Bühne Schuh plattelten. Dies war die erste und einzige der vielen Veranstaltungen am Wochenende, wo wir Roma sahen, die wirklich am Geschehen teilnahmen und nicht nur irgendwo am Rand des Parks saßen und die Essensreste der Festbesucher durchstöberten. Natürlich taten das auch während des Festivals nicht alle ständig, man sah auch an anderen Orten der Stadt Roma, vor allem auch herausgeputzte Romakinder. Dennoch zeigte sich leider auch dieses zwiespältige Bild: Während die Ungarn und Rumänen feiern, wühlen die Romakinder in den Mülltonnen. Aber hier nun auch das romantische Bild der tanzenden Roma:
Gegen zwei kam die dritte im Bunde. Gemeinsam gingen wir erst einmal Mittagessen und dann in den Weingarten, wo wir verschiedene Weine probierten. Leider verpassten wir die Präsentation des 100kg-Brots, ein Ereignis, dass wir eigentlich fest eingeplant hatten. Wir kehrten noch einmal kurz in die Herberge zurück und zogen dann wieder los, denn wir - oder zumindest eine von uns unbedingt - wollten Republic nicht verpassen. Die ungarische Band war so etwas wie der Headliner des Stadtfestes, der Platz vor der Bühne war schnell voll mit einem sehr gemischten Publikum - Eltern mit Kindern, ältere Menschen, Rocker, junge Leute, alle gesellschaftlichen Gruppen waren vertreten. Und alle sangen die ungarischen Lieder mit. Ich habe ja mal gar nichts verstanden und hoffe, dass ich nicht bei irgendeiner seltsamen nationalistischen Veranstaltung war oder so, aber mir wurde versichert, dass dem nicht so ist. Das Frollein verglich Republic mit den Scorpions und so falsch ist der Vergleich wohl nicht. Stimmung machte die Band trotzdem, die Leute gingen ziemlich ab. Mein Hauptproblem war wohl die sprachliche Hürde. Gerade mit langsamen Rockballaden kann man eben nichts anfangen, wenn man gar nichts versteht. Aber ansonsten waren auch ein paar Sachen, die ein bisschen zum Rumhüpfen animierten, was aber aufgrund dessen, dass es so voll war, eher ein bisschen schwierig war. Direkt vor uns gingen ein paar langhaarige Rockertypen jedenfalls ordentlich auf die Musik ab, was für uns aufgrund der vielen Tattoos der Typen und ihres Kleidungsstils, sowie aufgrund des auf der Bühne dargebotenen Kuschelrocks schon lustig war. Einer der Typen versuchte dem Frollein näher zu kommen, was sie aber vehement ablehnte, worauf er angepisst was, aber auch nicht so recht locker ließ. Wir dachten uns, der sei sicher ziemlich betrunken, und als ein paar andere Männer neben uns sich als unsere Beschützer aufspielten, war eigentlich auch soweit alles ok, auch wenn wir versuchten, von den Rockern ein wenig Abstand zu halten. Auf jeden Fall war das Konzert ein Erlebnis und wenn es auf Rumänisch gewesen wäre, hätte ich mich vielleicht sogar dafür begeistern können.
Nach dem Konzert strömten die Leute vom Platz, obwohl schon die nächste Band, nämlich die serbischen Blasmusiker, angekündigt wurden. Wir kehrten also ziemlich schnell zurück und standen praktisch zweite Reihe, wenn auch mit einigem Abstand zur Bühne, weil einfach sehr wenige Menschen da waren. Wir konnten noch den Soundcheck und den Aufbau beobachten, die Serben waren ja richtig viele und da dauerte es eine Weile. Und wer war der Roadie und / oder Tontechniker? Der Rocker, der das Frollein angegraben hat! Zumindest war er nun kaum eine Stunde später wohl nüchtern genug, um die Band richtig zu verkabeln. Vielleicht war er auch gar nicht betrunken gewesen sondern hat nur Nähe gesucht. Wir werden es nie erfahren.
Als die Band schließlich anfing, war jedenfalls sehr viel Platz zum Tanzen, was ich auch ausgiebig tat. Zum Schluss gab es noch ein paar Stücke von Goran Bregovic (der ja auch im Juni nach Cluj kommt!) und ich war sehr sehr zufrieden. Die Musik war super, die Show war nett, das Wetter war toll, was hätte ich mehr wollen können?
Entsprechend fertig, aber auch sehr zufrieden waren wir gegen eins im Internat. Am nächsten Tag hatten wir noch einmal viel Zeit für Weingarten, Einkäufe und Essen. Wir erhaschten einen Blick auf das Riesenbrot, dass während einer ökumenischen Messe gerade gesegnet wurde. Dank der Ungarischkenntnisse unserer Gefährtin mit Szekler-Wurzeln schafften wir es im Restaurant vor Ort sogar etwas zu bekommen, was nicht auf der Karte stand - nämlich Palatschinken mit Eis. Damit hatten wir unsere kulinarischen Ziele auch fast erfüllt, nur ich habe es irgendwie nicht geschafft, einen Maiskolben zu verspeisen. Im Weingarten sitzend konnten wir schließlich noch den Wettbewerb um den schönsten Szeklerbart mitbeobachten. Der Herr in der K-u-K-Uniform schnitt übrigens gar nicht so gut ab, wie man meinen würde, er war entweder letzter oder vorletzter. Und auch auf die Länge kam es wohl nicht an, der längste Bart belegte auch einen hinteren Platz. Um zwanzig nach sieben ging dann der Zug Richtung Cluj (für meine Begleiterinnen) oder Richtung Wanderstartpunkt für mich.
Ich wollte nach Baile Tusnad, von wo aus ich am nächsten Morgen zum Lacul Sfânta Ana, ein Vulkankratersee, wandern wollte. Der Hinweg sollte etwa zwei Stunden dauern, das Ganze war also locker an einem Tag zu schaffen und es sollte ja herrliches Wetter werden. Ein bisschen Sorgen machte ich mir wegen der Bären, aber eigentlich war ich zuversichtlich, dass ich keine treffen würde und die mich falls doch, auch nicht fressen würden. Ich fand relativ schnell eine kleine nette Pension mit einem Zimmer mit viel Jagdhüttenflair - viel Holz und Holzgeruch und sogar ein kleiner Balkon, das Ganze für 50 Lei (etwa 12 Euro). Ich wanderte noch einmal durch den Ort und kaufte mir noch eine Flasche Wasser, um als nächstes festzustellen, dass es eine Quelle mit Heilwasser gab, wo ich mir selbiges hätte abfüllen können. Ansonsten war der Kurort offensichtlich sehr langweilig. Es waren zwar noch ein paar vereinzelte Kurgäste unterwegs, aber es gab wirklich nichts, was sie hätten tun können, außer in die Kneipe gehen. Und in den Night Club im Ort, den es wahrscheinlich nur aufgrund der Kurgäste gab und der höchst unauffällig "Orgasmo" hieß. Prostitution ist in Rumänien übrigens verboten.
Ich brach am nächsten Morgen um neun auf und ließ meinen großen Rucksack in der Pension. Die erste Etappe war ganz schön anstrengend. Einen hervorragend markierten Wanderweg ging es ständig bergauf und das über Stock und Stein. Ich war sehr froh, als der Serpentinenteil anfing und der Weg sich in sanften Windungen den Berg hochschlängelte. Von etwa 800m an der Ausgangsposition stieg ich in etwa anderthalb Stunden auf 1200m. Irgendwann kam das erste Hinweisschild und daneben lagen, mitten im Wald, aber eben direkt an einer Wegkreuzung und am Hinweisschild, die ersten Menschen, die ich seit Beginn des Waldes sah - ein splitterfasernacktes Paar mittleren Alters. Ich setzte meinen Weg unbeirrt in Richtung See fort. Ich kam vorbei an einem alten, halb zusammengefallenen Aussichtspunkt und schließlich zum Infozentrum des Naturparks mit Schildern, Kürtöskalacs-Verkauf, Imbiss und Übernachtungsmöglichkeit.
Vorsicht! Gefahr durch Bären!
Und einer asphaltierten Straße, die den letzten Teil der Strecke zum See führt. Da ich mich im Naturpark befand, blieb ich tatsächlich fast ausschließlich auf der Straße, auch wenn das in Anbetracht des rumänischen Fahrstils nicht ungefährlich war und kam schließlich an den See. Selbiger war an sich nicht so spektakulär, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Dabei spielte sicher auch eine Rolle, dass ich ihn mir eben sehr ruhig vorgestellt hatte, aber ganz im Gegensatz dazu, recht viel Rumänen und Ungarn das verlängerte Wochenende nutzten, um mit ihren Familien Ausflüge zu machen. Demzufolge fand ich zwar einen schönen ungestörten Platz am Ufer, aber ganz ausblenden ließ sich die Gesellschaft am anderen Ufer auch nicht. Da es sich ja um ein Naturschutzgebiet handelte, war ich zudem sehr unsicher, was das Baden anging. Ich wäre zwar sehr gern zur Erfrischung reingesprungen, aber da das niemand anders tat, ich auch keine richtigen Badesachen dabei hatte und das Wasser dann doch auch ziemlich kalt war, beließ ich es beim Drinherumwaten mit hochgekrempelter Jeans. Es war dennoch sehr erfrischend. Ich lag noch ein wenig am Ufer herum, ging dann um den See herum und trat den Rückweg an. Hier hatte ich nun erstmals das Problem, dass der Weg nicht ganz eindeutig ausgeschildert war, aber schließlich nahm ich einfach den Weg zurück, aus dem ich auch gekommen war. Beim Schild, wo ich irgendwie immer noch die Nackedeis erwartete, die aber nicht mehr da waren, bog ich schließlich in die andere Richtung ab: "Castle Hill" und Baile Tusnad waren ausgeschildert. Ich wollte sowieso einen anderen Weg zurück nehmen und ein Abstecher zum ominösen Festungshügel war mir recht. Der Aufstieg auf selbigen war mal wieder nicht ohne, lohnte sich aber sehr. Die Festung, so erfuhr ich, war wohl erstmals im 6. oder 7. Jahrhundert auf dem Hügel errichtet worden und auch aus dem 12. und 13. Jahrhundert gab es Aufzeichnungen. Sie war wohl strategisch wichtig für die Szekler, also die ungarischen Siedler dieser Region gewesen. Jetzt zeugten jedenfalls nur noch große Gesteinsbrocken von den angeblichen Festungsmauern. An einigen Punkten hatte man einen wunderbaren Ausblick über Baile Tusnad. Dafür war der Weg auch schweißtreibend und ziemlich gefährlich, denn Sicherheitsabsperrungen gab es keine und zum Teil musste man schon kleine Klettereinlagen einlegen, um dem Pfad zu folgen. Der Abstieg ging dann zwar recht zügig, dennoch verpasste ich den Nachmittagszug weiter nach Gheorgheni, so dass ich erst kurz vor sechs abfahren konnte. Die Fahrt war dafür sehr schön, auch wenn die vielen langen Halte irgendwo an einem winzigen Bahnhof in einer vollkommen unbedeutenden Ortschaft nach mehreren Stunden ein bisschen nerven. Ich hatte aber ein sehr gut klimatisiertes Abteil den größten Teil der Reise ganz für mich allein und konnte damit leben.
In Gheorgheni angekommen machte ich mich auf den Weg in die Innenstadt, immer den anderen hinterher. Das bedeutete etwa 2-3km Fußmarsch. Zunächst kam ein Kaufland und ein Penny, dann viele Plattenbauten und erst praktisch am anderen Ende des Ortes die historische Innenstadt. Es war kurz nach neun und die Stadt war abseits von der Hauptstraße praktisch ausgestorben. Wirklich Angst hatte ich keine, angenehm war es aber auch nicht, so allein und so suchte ich verzweifelt nach einem Hotel und nahm schließlich das erstbeste, was mir billig erschien. 60 Lei (15 Euro) war kein Superpreis für das Zimmer, aber es war in Ordnung und ich hatte einfach keine Lust, nach etwas zu suchen, auch wenn ich in den anderen Unterkünften, wo ich vorbeigekommen war, wenigstens nach dem Preis hätte fragen sollen. Ich schlief ziemlich schnell und startete am nächsten Morgen gegen zehn, nachdem ich ein paar Kekse aus meinem Proviant gefrühstückt hatte. Ich hatte nicht viel Hoffnung, dass viel geöffnet haben würde, es war ja erster Mai und somit Feiertag und nach einem schönen Café hatte es auch nirgends ausgesehen. Noch dazu war ein Frühstück im Café in Rumänien nirgends einfach zu kriegen. Eigentlich wollte ich nach Lacu Rosu, einem Gebirgsee, der durch einen Erdrutsch und damit das Aufstauen eines Flusses entstanden war, aber die Hoffnung, dorthin zu gelangen, gab ich relativ früh auf, da ich nicht damit rechnete, dass am Feiertag Busse fahren würde und ich allein nicht trampen wollte. Plan B war einfach nur wegzukommen aus dieser nicht besonders schönen Stadt. Bis zehn Uhr abends, wenn der Direktzug nach Cluj abfahren würde, hätte ich es niemals dort ausgehalten, denn es gab tatsächlich nichts zu tun. Also wollte ich einfach den nächsten Zug oder Bus nehmen: Vielleicht nach Westen, vielleicht nach Norden, und wenn ich irgendwie nach Lacu Rosu gelangen sollte, auch gut. Am Bahnhof stellte ich fest, dass erst in drei Stunden ein Zug nach Târgu Mures fahren würde, am Busbahnhof war wirklich gar nichts los. Also kein Bus und die einzigen drei Menschen, die ich sah, verließen gerade den Platz, als ich kam. Ich überlegte, was ich tun könnte und ging zurück Richtung Innenstadt. In meinem Reiseführer stand etwas von einem Dorf in 6km Entfernung, wo auch Züge hielten und es ein Kloster und eine Festung gäbe. Vorher schaute ich mir noch die beschriebene gut erhaltene Synagoge von außen an, das heißt, durch die Mauer drumherum.
Dann lief ich los. Mit Gepäck, die sechs Kilometer an der Straße entlang. Und es war noch nicht einmal unangenehm. Ich verwarf die Idee, zu Trampen als zu gefährlich für eine alleinreisende Frau. Als mich ein Fahrer heranwinkte, ging ich trotzdem zu seinem Auto, nur um herauszufinden, dass er in die andere Richtung fuhr und nur fragen wollte, ob ich vielleicht Sex mit ihm haben würde. Ähm, nein. Naja, der Typ war nicht aggressiv und die Sache war nur ein wenig unangenehm, blieb aber der einzige Vorfall dieser Art. Im Dorf angekommen kurbelte ich mir einen Eimer Wasser am Brunnen hoch, was unerwartet leicht war und trank frisches Brunnenwasser, was erwartungsgemäß erfrischend war. Dann ging ich weiter die Straße entlang, Richtung Burg, Kloster und Bahnhof. Zum Kloster und zur Burg schaffte ich es schließlich gar nicht, weil es mir wichtiger war, aus dem Ort noch wegzukommen und ich deshalb den Bahnhof suchen wollte. Aber ich fand noch ein ungarisches Kriegerdenkmal für die Opfer sämtlicher Kriege und Aufstände, Erster und Zweiter Weltkrieg eingeschlossen. Das fand ich ziemlich seltsam, weil ja Ungarn auch gerade wegen Siebenbürgen bei jeder sich bietender Gelegenheit gegeneinander gekämpft hatten. Ich verstand nicht, was darauf stand und warum es da überhaupt stand und setzte meinen Weg Richtung Bahnhof fort. Im kleinen aber im Gegensatz zur Außentemperatur recht kühlen Wartesaal saßen zwei Jungs im Alter von vielleicht 15, 16 Jahren und spielten Gitarre. Sie waren richtig gut und ich genoss dieses kleine Privatkonzert in diesem kleinen Wartesaal an diesem winzigen Bahnhof sehr. Ich stieg schließlich in den Zug nach Târgu Mures, der mich in dreieinhalb Stunden und einer unglaublich langsamen Geschwindigkeit näher Richtung Cluj brachte. Ich freute mich erst sehr über den alten Zug, mit den Kunstlederbänken, den offenstehenden Waggontüren und dem fehlenden Komfort, aber nach einer Weile hätte ich das ganze dann auch gegen Polstersitze und Klimaanlage getauscht. Irgendwann stieg eine Horde Jugendlicher ein, die sicher das verlängerte Wochenende zum Zelten und Feiern genutzt hatten und natürlich setzte sich genau auf den Platz mir gegenüber ein Pärchen, dessen Schmatzgeräusche mein MP3-Player nicht in der Lage war zu übertönen. Ich brauche bessere Kopfhörer.
Von Târgu Mures fuhr wiederum erst in zwei Stunden ein Zug und so beschloss ich, mein Glück mal am Busbahnhof zu versuchen. Nach einer dreiviertel Stunde warten kam der angekündigte Bus nach Budapest, war aber zunächst angeblich voll. Ich wartete einfach neben dem Bus, bis er abfuhr und siehe da, da war doch noch Platz für mich. Ich musste allerdings in Gilau, zehn Kilometer von Cluj entfernt aussteigen, von da sollte es aber Minibusse geben. Ich saß zunächst neben einem jungen Mann mit einem furchtbaren Tattoo im Nacken - ein Kreuz mit Flügeln, was für eine seltsame Idee ist das bitte? - zum Glück sah ich nur seinen Nacken, wer weiß, was er noch für hässliche Sachen auf seinen Körper gestochen hatte, aber er schlief und ich hatte meine Ruhe. In Turda musste ich den Platz wechseln und saß dann neben einem Rumänen, der wohl angehöriger der ungarischen Minderheit war, denn er sprach nur sehr schlecht Rumänisch. Er war auf den Weg nach Budapest, um dort zu arbeiten. Er arbeitete immer zwei Monate und kam dann für fünf Tage nach Hause, wenn ich es richtig verstand und das bereits seit ein oder zwei Jahren. In Gilau wurde ich ziemlich plötzlich praktisch direkt an der Autobahnausfahrt aus dem Bus geworfen und dachte mir erst: "Na toll, wie soll ich denn hier wegkommen? Und dunkel wird es auch langsam..." Andererseits war es ja auch gut, dass sie an mich gedacht haben, ansonsten hätte man wohl erst an der ungarischen Grenze bemerkt, dass man mich zu weit mitgenommen hat. Und es kam dann auch ziemlich schnell ein anderer Bus, der mich die letzten Kilometer mitnahm. Dazu drang folkloristische Popmusik aus den Lautsprechern. Ich lief die letzten Meter zum Wohnheim und war froh, wieder in Cluj gelandet zu sein.