Ich hatte Mitte Oktober das erste Mal
Besuch aus Deutschland und konnte bei der Gelegenheit gleich mal
probieren, wie es so klappt mit dem Beherbergen von Gästen und der
Veranstaltungsplanung. Ich hoffe und glaube, die Freundin aus München
ist zufrieden wieder abgereist und hat ein paar schöne Eindrücke
sammeln können.
Eine kleine Rundfahrt durch Südwest-Rumänien
Der alte Schlachthof in Lugoj |
irgendeinem Fürsten als Jagdwald angelegt worden war und heute den Forstwissenschaften und der Erholung dient. Wir machten einen kleinen Spaziergang, ehe wir weiter nach Lugoj fuhren. Wir trauten uns über die Eisenbrücke, obwohl dafür vor Kurzem die Garantie, die die östereichisch-ungarischen Erbauer für einhundert Jahre gegeben hatte, abgelaufen war. Nette Kleinstadt, die uns jetzt aber nicht so sehr beeindruckte. Der Fakt, dass es die zweite Revolutionsstadt in Rumänien nach Temeswar war, beeindruckte uns jetzt auch nicht so sehr, als dass es unsere Meinung groß beeinflusste. Weiter ging es also nach Caransebes, das uns schon eher gefiel.
Keine Garantie... |
Ich bin bereits einmal, auf wesentlich besseren Straßen, auf der serbischen Seite diese Strecke an der Donau entlang gefahren und war total beeindruckt. Auch von rumänischer Seite war die Fahrt nicht weniger sensationell. Und abenteuerlich: Regelmäßig tauchten riesige Schlaglöcher oder Gesteinsbrocken mitten auf der Straße auf. Teilweise gab es so viele Schlaglöcher, dass man nur Schritttempo fahren konnte und auf etwa zwanzig der hundert Kilometer Uferstrecke fehlte der Straßenbelag komplett. Soll heißen: Es gab keine Straße. Ich hatte so ein bisschen überlegt, ob man nicht von Orsova über die gut ausgebaute Strecke zurückfahren sollte, die wir auch gekommen waren, aber war vom guten Zureden meiner Mitfahrer und von der Schönheit der Donau schnell umgestimmt.
Nur leider brauchten
wir für diese Strecke ewig, da wir oft nur 50, manchmal 30 und
selten mal 60 oder 70 fahren konnten. Irgendwann zwischendurch dachte
ich dann auch tatsächlich, das Auto kaputt gemacht zu haben, als ich
einen Stein in der Fahrbahnmitte scheinbar kleiner einschätzte als
der Felsbrocken, der er tatsächlich war und es als ich darüber fuhr
einen wahnsinnigen Rumms gab. Der Ausblick und das Abenteuer
entlohnten jedoch vollkommen. Irgendwann kamen wir um eine Kurve und
mitten auf der „Straße“ oder besser dem Dreckweg stand eine
Herde Kühe, die von zwei Leuten wohl nach Hause getrieben wurden. Ich fing nach einer Weile an, auf den
Tacho zu schielen. 90 Kilometer weit sollten wir noch kommen und es
sah in dieser Gegend wirklich so gar nicht nach Tankstelle aus. Die
Ortschaft, die am Meilenstein angeschrieben war, war auch nur ein
kleines Nest. Auch meine Beifahrerin begann, auf den Tacho zu
schielen, sagte aber, genau wie ich, nichts. Irgendwann, wir waren
gerade von der schlimmsten Strecke runter, gab es eine kleine
vereinsamte Tankstelle, zwei Zapfsäulen und ein Tankwart. Ein
ein-Mann-Betrieb, bei dem man ganz sicher nicht mit Kreditkarte
zahlen konnte. Am Bargeld scheiterte es glücklicherweise nicht.
Sobald ich die unscheinbare Tankstelle auftauchen sah, bremste ich
scharf und riss den Lenker rum – unsere Chance, nicht
stehenzubleiben. Nach der Rückfahrt ins Landesinnere ging es noch
eine Weile durchs Banater Bergland, das alles bereits im Dunkeln. Vor
uns tauchten nun aus dem Nichts landwirtschaftliche Maschinen auf,
andere Autos waren auch wieder spärlich vertreten. Ich fuhr etwas
„Romanian style“, um die Rückgabe des Autos um zehn in Temeswar
irgendwie zu schaffen. Punkt zehn lieferten wir das Auto ab und
krochen bald müde in unsere Betten beziehungsweise auf die
Besuchercouch.
Temeswarer Besuchsprogramm
In Temeswar hatten wir uns ein paar
Sachen vorgenommen. Während ich arbeitete, entdeckte meine deutsche
Freundin allein die Stadt, nachmittags und abends unternahmen wir
dann noch etwas zusammen. Insgesamt sahen wir so ein Theaterstück im
Deutschen Staatstheater, ein Konzert und einen Flashmob der deutschen
Band Mine, das Revolutionsmuseum, den jüdischen Friedhof und diverse Parks, Statuen, Kirchen
und Denkmäler. Außerdem sprachen wir mit ein paar Graffitti-Künstlern, die gerade an einem Industriegelände zu Gange waren. Natürlich kamen auch Bars, Restaurants und Cafés
nicht zu kurz. Wir besuchten den schönen Biergarten Capite, die
Teestube der Carturesti-Buchhandlung, aßen im BioFresh und tranken
im Cuib d'Art, im Manufactura und im Scârti. Einige der Sachen waren auch für
mich neu, wie zum Beispiel das Casa cu Flori.
Eigentlich drehte sich der ganze
Temeswar-Besuch um Wilhelm Mühle, auf den der schöne Park
Rosengarten in Temeswar zurück geht. Als wir diesen besuchten,
fantasierte ich mir eine schöne Geschichte um Mühle zusammen, weil
ich, neben seinem Monument stehend, gern ein wenig mehr über den
Herren erzählen wollte. Er war meinen Angaben zufolge der größte
Rosengartenexperte Ost- und Mitteleuropas, womit ich jetzt auch
objektiv nicht ganz so falsch liege. Ebendieser Mühle, der Ende des
19. Jahrhunderts die damals österreichisch-ungarische Stadt mit
seinen Pflanzen verschönerte, hatte in der Stadtmitte eine
Gärtnerei, von der aus er seine Rosenzüchtungen über ganz Europa
versandte. Und in ebendiesem Haus, dem Haus mit den Blumen, rumänisch
Casa cu Flori, ist heute das gleichnamige Restaurant. Im rumänischen
Vergleich etwas teurer bietet es herausragende Küche im gehobenen
Ambiente. Mit meinem Besuch ließ ich mich auf der Dachterasse nieder
und speiste hervorragend.
Danach waren wir gestärkt für den
Theaterbesuch. Eine Adaption von Herta Müllers „Niederungen“
stand auf dem Spielplan. Wohl wissend das Herta Müller etwas
speziell und das Stück somit potenziell seltsam sein würde, setzten
wir uns ins Publikum, nachdem wir kurz vor Vorstellungsbeginn noch
Karten ergattert hatten. Es war eine sehr fragmentarische Geschichte
ohne klaren Erzählfaden. Allerdings gefiel es mir wieder Erwarten
sehr gut.
Besuch aus Deutschland, Band aus Deutschland
Ein Highlight des Besuchs war sicher
das Konzert der Band Mine, die vom Deutschen Kulturzentrum Temeswar
in die Stadt geholt worden war. Um sechs gab es einen Flashmob in der
Mall. Flashmob heißt in diesem Fall, dass mitten in der Mall einfach
ein kleines Drumset aufgebaut wurde und die Band minimalistisch ihre
Lieder performte und zum ebenfalls kostenlosen Konzert einlud. Die
Akustik war schlecht, der Zweck aber meiner Meinung nach erfüllt.
Die Leute blieben stehen, schauten, einige hörten sich auch das
ganze Konzert an. Darunter waren neben jungen Menschen auch ältere
Leute, die den Folk-Synthie-Pop auf Deutsch scheinbar mochten.
Wir
machten uns in der Pause auf, um ums umzuziehen und etwas essen zu
gehen. Im herausragenden Biofresh aßen wir sehr lecker zu Abend und
machten uns dann auf den Weg zum Konzert im Setup Venue. Der
Veranstaltungsort ist schon eher groß, bei einem vollen Konzert
passen bestimmt 500 Leute locker rein. Mit am Ende vielleicht fünfzig
Besuchern sah es demnach etwas dürftig aus. Vermutlich hatten die
wiederkehrenden Regengüsse auch einige potentielle Besucher
veranlasst, das Haus nicht zu verlassen. Nichtsdestotrotz war die
Stimmung gut, auch wenn die Technik nicht mitspielte.
Aber vielleicht
rettete gerade das das Konzert. Als die Technik streikte, entschied
sich Mine mit ihren zwei Mitmusikern spontan, eine Akustik-Floorshow
hinzulegen. Alle Anwesenden sammelten sich folglich vor der Bühne,
wo die Dame stand und sang. Das tat sie gut und sympathisch und das
Publikum war aus den Ecken und von den bequemen Sofas gelockt für
den Rest der Show. Ich kann gar nicht sagen, welches mein
Lieblingslied ist, aber es gibt schon einige sehr schöne, die live
sehr viel besser als auf ihren Aufnahmen klingen. Mine ist meines
Erachtens echt eine Konzert-Künstlerin.
Am Freitag machten wir noch eine kleine
Kneipentour und damit war das Besuchsprogramm dann auch schon wieder
beendet. Das heißt, ich bekam schon eineinhalb Tage nach Abreise des
Deutschlandbesuchs erneut Besuch – zwei Kollegen aus anderen
Städten Rumäniens wollten vor dem Zwischenseminar in Budapest bei
mir übernachten, weil sie eine etwas längere Anreise hatten. Meine
Besuchskapazitäten wurden damit bereits so richtig ausgetestet und
ich muss sagen, es funktioniert gut. Die Couch im Wohnzimmer ist
etwas wackelig, aber prinzipiell bequem, was man von der im
Schlafzimmer nicht sagen kann. Durch einen zusätzlichen Schlüssel
können meine Besucher das Haus verlassen, wann sie wollen, sie
kommen nur nicht wieder rein, weil es nur der Wohnungsschlüssel,
nicht aber der Hausschlüssel ist. Temeswar zu besuchen lohnt sich
auf jeden Fall und man kann sich getrost eine Woche dort vertreiben,
ohne, dass einem allzu langweilig wird.
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