Sonntag, 29. Juli 2012

Es ist weiterhin heiß in Bukarest

  Politik in Europas Südosten





Piata Unirii, Bucuresti, 23.15 Ortszeit


Im Stadtbild von Bukarest fallen überall Läden und Werbungen für Sportwetten auf. Scheinbar lassen viele Rumänen realtiv viel Geld in Wettbüros. Ob man auch auf das Referendum um die Absetzung Traian Basescus als Präsidenten Rumäniens wetten konnte, ist mir unbekannt. Aber es wird knapp und somit hätte sich das wohl für die Wettbüros gelohnt, denn für die Rumänen, mit denen ich so sprach, war das Ergebnis nicht vorhersehbar. Beziehungsweise wussten sie nicht so genau, welche Seite mit Manipulationen und Betrügereien mehr erreichen würde.

Pe scurt [in Kürze]: In Rumänien gab es einen politischen Wandel, nachdem eine Koaltionspartei die Seiten gewechselt hatte und sich mit der Opposition zusammenschloss. Die Regierung wurde ausgetauscht und Ponta wurde Premierminister. Dieser versuchte in relativ kurzer Zeit relativ viel Macht für seine Partei zu gewinnen, und tauschte auf allen wichtigen Posten die Beamten gegen Leute seiner Parteilinie aus. Der letzte Schritt war die Absetzung des Präsidenten. Die Absetzung ging durch das Parlament, damit sie rechtskräftig ist, müssen sich aber auch die Mehrheit der Rumänen in einem Referendum dafür aussprechen, dessen Mindestbeteiligung bei 50% der Wähler liegt. {Sueddeutsche.de: Link}
Im Straßenbild von Bukarest dominieren seit Beginn meines Aufenthaltes Plakate mit "Români, hai la referendum! Basescu, hai, la revedere!" [Rumänen, auf zum Referendum! Basescu, geh, auf Wiedersehen!] und ähnlichem, nur hier und da ist ein "NU stinge flacara democratiei!" [NICHT die Flamme der Demokratie auslöschen!] zu sehen. Die Absetzung ist nämlich, aufgrund Pontas Marsch durch die Institutionen, sehr umstritten und würde Rumänien, aus weltpolitischer Sicht, im Moment wohl eher schaden, da es somit an Glaubwürdigkeit und Kontinuität verliert.

Wie die Wähler nun entschieden haben, ist unklar. Höchst wahrscheinlich wird das Quorum nicht erreicht, weil bis 21 Uhr (die Wahllokale hatten aufgrund der Sommerferien von 7 bis 23 Uhr geöffnet) nur ca. 44% der Wähler zur Wahl gingen {Agerpress.ro: Link 2 - engl.}. Allerdings ist es auch gut möglich, dass noch Stimmen "gefunden" werden und das Quorum noch geschafft wird. Auf dem Universitätsplatz (der auch einer der Hauptschauplätze der Revolution im Dezember 1989 ist), skandierte eine kleine Menschenmenge "Jos Basescu!" [Nieder mit Basescu] und schwenkte rumänische Fahnen. Einige davon mit Loch in der Mitte. Ob die Demonstranten nur kommunistische Fahnen mit dem entsprechenden Emblem zu Hause hatten und dieses lieber ausschnitten, bevor sie das Haus verließen, ist fraglich, wahrscheinlicher ist, dass dies eine Anspielung auf die Revolution '89 sein sollte, als eben solche Fahnen geschwenkt wurden, damals wurde eben symbolhaft das kommunistisch Emblem aus der Mitte entfernt. Wenn das Quorum erreicht wurde, was viele zu glauben scheinen, wird Basescu ganz klar gehen müssen, soviel steht fest, denn die, die zur Wahl gingen, stimmten für seinen Rücktritt. Auf der Straße hörte ich Wortfetzen wie "e fraudat" [es ist gefälscht] und "eu personal am vazut cu ochii mei" [ich selbst habe es mit eigenen Augen gesehen]. Die Menschen in der Unterführung am Universitätsplatz versammelten sich in einem Café, um im Fernsehen die aktuellen Meldungen zu sehen, als ob Rumänien in der Europameisterschaft Fußball spielte. Die Jandarmerie ist um den Platz so präsent, als ob serbische Hooligans zu eben diesem Spiel unterwegs wären und es in der Uniturnhalle stattfände. Bis morgen früh wird man jedoch kaum etwas genaues wissen. {Hotnews.ro: Link 3 - rum.}Nach allem, was ich gehört habe, hoffe ich, dass Basescu vorerst bleiben kann, denn diese Kampagne, die hier gegen ihn gestartet wurde, scheint nicht mit rechten Dingen zuzugehen.

Ich bin nicht die einzige, die neugierig auf das Ergebnis ist.

Samstag, 28. Juli 2012

Bukarest bei 38°C




In Bukarest ist es verdammt heiß und auch wenn es dunkel wird - recht früh so gegen halb neun, glaube ich - bleibt es drückend heiß. So eine Stadt kühlt eben über Nacht nicht ab, das merkt man. Das hat aber auch etwas Gutes - kein lästiges Jäckchen-Mitschleppen zum Weggehen. Gestern wollte ich mit den anderen vom Sprachkurs tanzen gehen. Wir trafen uns um zehn an der Uni, warteten noch eine halbe Stunde auf Nachzügler und setzten uns im Centrul Vechi (Altes Stadtzentrum) in eine Bar, bzw. deren Freisitz zur Fußgängerzone. Es wurde mal wieder abenteuerliches Rumänisch gesprochen, was uns im Allgemeinen hier als Lingua Franca dient und es war echt witzig. Nach einem Ciuc Nefiltrat [ungefiltert], ging es weiter, das heißt, dazwischen warteten wir natürlich wieder ewig auf irgendjemanden, aber dann gingen wir noch in einen Club, wo Indie-Rock gespielt wurde. Ich war ewig nicht mehr zu solcher Musik tanzen, aber es war richtig richtig gut, wenn auch für meinen Geschmack ein bisschen zu viele Oldschool-Klassiker drunter gemischt wurden. Nach einem weiteren Bier und einem Wodka-Apfel machte ich mich gegen halb drei allein auf den Heimweg. Ich hatte keine Ahnung, wie die Nachtbusse fahren würden und wollte ohnehin laufen. Schon auf der Tanzfläche hatte ich die ganze Zeit ein breites Grinsen auf dem Gesicht gehabt. Ich hatte auch auf dem Nachhauseweg noch richt gute Laune. Ich dachte gerade darüber nach, was ich so in nächster Zeit in meinem Leben anstellen würde, da sah ich die alte, offensichtlich geistig verwirrte Frau, die ich am Tag schon zweimal gesehen hatte, auf dem Mauerabsatz vor einem Schaufenster liegen und schlafen. Es wird ihr nicht schaden, ich denke selbst gegen Morgen sinkt die Temperatur nicht unter 25°C, aber dieses Bild katapultierte mich zurück in die Realität. Müde lief ich weiter nach Hause, nicht völlig deprimiert, aber etwas nüchterner. Als ich fast stolperte, hörte ich einen Mann fragen, ob er mir helfen kann, aber ich trottete stumm weiter. Die Menschen, die mir entgegenkamen, kamen mir jetzt seltsamer vor.

Arme Menschen, Obdachlose und Roma gehören zum Straßenbild in Bukarest dazu, eigentlich auch in der ganzen Innenstadt. Irgendwie ist das auch gut, denn es erinnert einen, wo man ist und wie die Verhältnisse hier sind. Ich habe bereits zwei sehr junge nackte Romamädchen auf irgendwelchen dreckigen Treppenstufen gesehen, heute Mittag eine alte Frau, die auf dem Gehweg lag und aussah, als würde sie sehr bald sterben. Ich fühle mich ohnmächtig, wenn ich das sehe. Aber das ist eben hier die Realität und so traurig es ist: Es ist unmöglich, all diesen Menschen zu helfen.



Heute morgen war ich relativ früh wach, denn ich wollte zum Flohmarkt. Ich habe schließlich fast zwei Stunden gebraucht, bis ich da war. Zunächst mit der Metro, dann den Bus nicht gefunden, deswegen doch noch ein Stück Metro, dann die Anschlussmetro kaputt und auf die nächste warten, dann noch ein gutes Stück hinlaufen. Es hat sich trotzdem gelohnt.
Ich habe tatsächlich ein Ladekabel für mein uraltes Samsunghandy gefunden (das alte ist in Istanbul geblieben, vermutlich), eine Handtasche und ein paar Schuhe. Der Flohmarkt war bei Weitem nicht so schön, wie der in Cluj. Er war sehr ramschig, aber ich war auch sehr spät dran. Ich wurde beim Kauf des Ladekabels (für das ich zuviel bezahlt habe mit 12 Lei, aber dass ich immerhin von 20 runtergehandelt habe), für eine Moldauerin gehalten, das fand ich amüsant. 





In der brütenden Hite machte ich mich schließlich zurück auf den Weg ins Appartment, um meine Schätze wegzubringen und um ins Nationale Historische Museum zu starten. Das wird - wie in Cluj auch - natürlich gerade renoviert und die Sonderausstellungen mochte ich mir nicht anschauen. Kurzerhand beschloss ich dann, stattdessen das Nationale Bauernmuseum zu besuchen, von dem meine Rumänischdozentin immer so geschwärmt hat. Es hat sich tatsächlich gelohnt, das Museum ist sehr schön aufgearbeitet, aber ich war sehr schnell gelangweilt und finde diese ganze Betonung der nationalen bäuerlichen Kultur in Rumänien sowieso übertrieben. Ich bin sehr schnell durchgelaufen, habe es aber nicht bereut. Fotos durfte man im Übrigen keine machen. Es waren genausoviele Museumswärterinnen wie Besucher anwesend, die diese dann mit Argusaugen beobachtet und Fotos verhindert haben.

Die Treppe im Foyer des Bauernmuseums

Montag, 23. Juli 2012

Cluj verlassen - Goran Bregovic spielt zum Abschied

Hier der erste Beitrag zu meiner Balkantour Ende Juni bis Anfang Juli. Ich verlasse Cluj...

Meine letzten Tage in Cluj waren natürlich etwas stressig und auch ein bisschen traurig. Die Stadt werde ich wiedersehen, da bin ich mir sehr sicher, aber einige von den Leuten wohl nicht. Das ist bei einigen sehr schade. Außerdem wurde ich pünktlich das Wochenende vor meiner geplanten Abreise ans Meer richtig krank. Husten, Schnupfen, Heiserkeit und zwar Schnupfen von der Sorte, bei der man das Gefühl hat, Nase und Ohren sind komplett verstopft und Halsweh, so stark, dass ich jedes Schlucken möglichst vermied.
Aber dann war ja am Montagabend Goran Bregovic in Cluj und ich redete seit Wochen davon, dass ich hinwollte, ja hinmusste. Ich hatte auch erfolgreich das halbe Wohnheim mobilisiert, nur ich selber war noch einen Tag so schlapp, dass ich mich fragte, ob ich schaffen würde.
Ich hatte am Montag einen amerikanischen Couchsurfer bei mir zu Gast, dem ich kurzerhand auch eine Karte gekauft hatte und der sich darauf freute, mitzukommen. Er sah leider nicht viel von Cluj, aber vielleicht kommt er ja mal wieder. Wenn man nur ein paar Wochen für ganz Europa hat, ist es immer etwas schwierig sich irgendwo länger aufzuhalten und er wollte lieber noch Maramures sehen, was ich auch verstehen kann.

Das Konzert begann recht lahm. Am Einlass war ein Riesengedränge und als wir drin waren und uns mit Bier ausgestattet hatten, spielte dann schon so etwas wie eine Vorband in der Halle. Irgendeine rumänische Gypsy-Band, meines Erachtens nicht besonders gut. Zum Schluss spielten sie eine altbekannte Bregovic-Melodie (der diese ja auch nur aus altem balkanischen Liedgut zusammengeklaut hatte) und verscwanden glücklicherweise. Denn dann kam der Maestro höchstselbst mit seiner Wedding & Funeral Band. Und was dann begann, war der Wahnsinn. Er stieg gleich temporeich mit "Gas" ein, spielte dann aber auch viele langsame Sachen, viele tanzbare Sachen, er machte einfach Stimmung. Die Ladies neben mir tanzten wunderbar, so dass es eine Freude war, ihnen zuzuschauen. Erwähnte ich eigentlich schon, dass in der Halle etwa 35° C herrschten? Ich tanzte auch sehr viel und am Ende waren wir alle ziemlich durchgeschwitzt, hatten hochrote Köpfe und die Haare klebten uns schweißnass im Gesicht. Es war großartig. In der Zugabe kam noch der Klassiker "Bella Ciao" - wie ich dieses Lied liebe - und irgendwann strömten wir alle verschwitzt und erschöpft (bis auf unsere österreichische Kollegin, die gern noch ein paar Stunden weitergemacht hätte) aus dem Gebäude, ich für meinen Teil mit einem zufriedenen Grinsen auf dem Gesicht, wie die meisten anderen wohl auch. Ich habe so etwas in Cluj zuvor nicht erlebt und es war der perfekte Abschluss eines eindrucksvollen und erlebnisreichen Semesters. Danach konnte ich Cluj getrost verlassen, mit einem Lächeln um die Mundwinkel, mit einem wehmütigen und einem strahlenden Auge, mit ganz viel Energie und einer seltsamen Mischung aus Fern- und Heimweh. Wenn der Weg das Ziel ist und das Zuhause im Unterwegssein liegt, ist es wohl nur natürlich, dass man sich immer nach einem Ort der Geborgenheit sehnt und im gleichen Moment zurück und weiter möchte.

So in etwa fühlte ich mich, als ich zwei Tage später, nachdem ich mich noch einmal von allen verabschiedet hatte, die noch so da waren, in den Zug stieg, der mich quer durch Rumänien an die Küste bringen sollte, nach Constanta. Ich war anfangs allein im Abteil und sah aus dem offenen Fenster auf die vorbeirauschende Stadt. Bis bald, Cluj, ich werde mal wieder kommen.


In Bukarest geht gerade die Sonne auf...


... und ich bin dabei. Ich werde die nächsten zwei Wochen hier weilen und an einem Rumänisch-Sprachkurs der Uni Bukarest teilnehmen. Gestern am Flughafen habe ich schon eine andere Teilnehmerin aus Regensburg getroffen, die völlig überrascht war, dass man das Hotel hätte reservieren müssen. Sie ist davon ausgegangen, dass unsere zuckersüße, aber leider etwas zerstreute Rumänisch-Dozentin das mit erledigt. Jetzt hat sie mit in meinem Appartment gepennt und wird wohl auch hier bleiben, wenn sich das mit der Unterkunft nicht klärt.
Ansonsten, alles wie immer - ein bisschen verloren fühlen auf dem Flughafen, ein bisschen Nervosität beim Reinfahren in die Stadt, ein bisschen Neugier, was jetzt kommt. Ich melde mich wieder und versuche auch weiterhin den Balkantrip aufzuschreiben.

Mittwoch, 18. Juli 2012

Notizen aus Sofia und Belgrad


Ich habe auf meiner Reise zwei Reisejournale verloren. Das dritte habe ich mir in Sofia am Bahnhof gekauft und darin dann folgendes notiert:

1.7.2012
Ich sitze gerade vorm Bahnhof in Sofia und trinke eine Alibi-Limo, damit ich hier sitzen bleiben kann. Das hier ist der dritte Versuch, meine Erlebnisse festzuhalten, nachdem die anderen beiden verloren gegangen sind. Den ersten bekomme ich hoffentlich noch wieder, der ist beim Couchsurfing-Host in Varna liegen geblieben und der will mir das Heftchen zuschicken.
Ich bin langsam etwas genervt vom Rumreisen und freue mich definitiv auf mein eigenes Bett und eine bekannte Umgebung. Meine Freunde, all das. Im Moment hätte ich gern eine Dusche. Ich stinke wie ein kleiner Bär und habe seit gestern die Sachen nicht gewechselt. Die Aussicht auf eine weitere Nacht in diesen Klamotten ist nicht im Geringsten verlockend. Aber ich habe wahrscheinlich nicht großartig eine Wahl.
Abgesehen davon, dass ich ganz schön fertig bin, bin ich aber eigentlich auch sehr zufrieden. Im Großen und Ganzen hat alles geklappt, wie ich es geplant hatte. Constanta, Vama Veche, Varna, Istanbul, Sofia, Belgrad, Zagreb – so sieht die Reiseroute nun aus. Weniger Stopps, weniger Stress, mehr Urlaub. 




Ich habe einige großartige Dinge erlebt. Ich war in Varna nachts um vier nackt im Meer baden. Ich habe ein Picknick mit Lagerfeuer am Strand gemacht. Ich war bei einem Zigeunerkonzert in Istanbul. Ich war
Was ich noch alles war, erfahrt ihr in weiteren Posts, denn hier endet die erste Aufzeichnung abrupt. Vielleicht wurde ich von der Kellnerin unterbrochen.  Die nächste Notiz ist dann schon in Belgrad verfasst und sehr knapp. 

2.7.2012
Wieder bei I*. Ich fühle mich so wohl hier. Ich will am Liebsten länger bleiben. Ich werde mal versuchen, die Istanbultage nachzuvollziehen. 

Dann folgen ein paar Stichpunkte, die ich in nächster Zeit mal versuchen werde, in Prosaform wiederzugeben. 


* Ich will versuchen, den Blog so anonym wie möglich zu belassen und lasse daher Namen weg. Hier handelt es sich um einen Couchsurfer aus Belgrad, bei dem ich zum zweiten Mal übernachtet habe.

Samstag, 7. Juli 2012

Wieder dahoam

Ich bin wieder in Deutschland, genauer in RGB, wenn auch nur temporär. In zwei Wochen fliege ich wieder nach Bukarest, dort mache ich dann noch mal zwei Wochen Rumänisch-Sprachkurs. Ich muss bis dahin einiges organisiert kriegen, schließlich habe ich im Moment keinen Laptop, keine EC- oder Visa-Karte, keinen Personalausweis - und mein Pass läuft in zehn Tagen ab. Ich schreibe aber bald mehr von der Reise und stelle ein paar Bilder online. Versprochen.