Letzten Samstag gärte so der Wunsch vor sich hin, die Stadt zu verlassen. Radna, hatte irgendjemand mal gesagt, da sollte ich mal hin. Hm, ich stehe jetzt nicht so auf Klöster, aber dann gab es da ja auch noch die Burgruine. Und das war schon eher nach meinem Geschmack.
Die Polizisten im Ort haben Humor - wenn man ihren Müllcontainer benutzt, zahlt man 40 Euro Strafe und ihr Tor sollte man wohl auch nicht blockieren. |
Um 7:44 fuhr der Zug bereits los und das an einem Sonntagmorgen. Um das Unglück perfekt zu machen, hatte auch noch der Fornetti-Imbiss mit den kleinen leckeren Gebäckteilchen um diese Zeit noch geschlossen. Bewaffnet mit einer Tüte Minicroissants vom Kiosk konnte die Reise dennoch losgehen. In einem überhitzten Zug schaukelten wir zwei Stunden dahin, ehe sich die Glockentürme der Klosterkirche Maria Radna ins Sichtfeld bewegten. "Wird da gerade gebaut?", war meine erste Feststellung, als ich die eingerüstete Kirche sah. Nun ja, bei dem regnerischen Wetter verschlechterte das Baugerüst den ohnehin trüben Anblick auch nicht mehr viel. Kurz rein, die Streunerhunde, die sich uns angeschlossen hatten, mussten draußen bleiben, wieder raus, da waren sie wieder. Viel gibt es nicht zu sehen, wenn man sich weder besonders für Kirchenarchitektur noch für Religion interessiert. Mir dünkte, dass wir wohl kaum die Zeit bis zum Zug um kurz vor fünf totschlagen könnten in diesem ereignislosen Ort.
Als nächstes ging es zur Festung Șoimoș oder zu den Überbleibseln ebendieser. Immer an der Hauptstraße lang war zwar ein praktischer Tipp, wenn man irgendeine Art von fahrbarem Untersatz hatte, aber ohne einfach nur nervig. Das einzige gute daran war, dass wir ein Gotteshaus unbekannter Provinenz - Pfingstler, Zeugen, Scientologen? - sahen, vor der eine Menge Autos geparkt waren. Schien ziemlich populär zu sein, was man von der Klosterkirche zum Zeitpunkt unseres Aufenthalts da nicht sagen konnte. Man hörte auch den Gesang aus dem futuristischen Holz-und-Beton-Bau, es erschien irgendwie gemütlich und einladend. Nicht so sehr die zum Teil zusammenfallenden Häuser am Straßenrand, die zwar sehr schön aussahen, aber so wirkten, als würde es durch jede Ritze pfeifen bei diesem Wetter. Wir gingen also weiter, duckten uns, wenn LKWs uns Dreckwasser ins Gesicht peitschten und marschierten brav im Entenmarsch hintereinander abwechselnd auf schmalen Fußwegen vor Häusern und dem Randstreifen. Nach einer gefühlten Ewigkeit hatten wir das Ziel fast erreicht. Ich brauchte dringend Schokolade nach so viel Anstrengung und das gab uns die Gelegenheit, bei dem Lebensmittelladen am Fuße der Festung noch mal sicherheitshalber nach dem Weg zu fragen.
Der Weg war unbefestigt, steil und zum Teil ganz schön rutschig. Ich fluchte so vor mich hin, war dann aber doch sehr froh, die Qualen auf mich genommen zu haben, als wir oben waren. Der Ausblick war fantastisch. Die Burg Șoimoș war fantastisch. Ich wundere mich noch jetzt, wer wohl daran immer mal Ausbesserungen gemacht hatte, wann und wie sie zuletzt genutzt wurde und warum sich Ziegel und Beton neben ansonsten aus Bruchstein bestehenden Mauerresten finden. Laut der Internetseite ist die Burg seit 1788 verlassen und in den 1970er Jahren wurden die letzten Reparaturarbeiten gemacht, um die Ruine zu erhalten.
Nach reichlichem Besichtigen, Herabschauen und Fotos machen, begann der Abstieg, der auf nicht minder steilen Wegen erfolgte. Nach nochmaligem Nachfragen im Lebensmittelladen stellte sich heraus, dass es einen anderen Weg als den an der Hauptstraße zurück zum Ausgangspunkt, wo der Bahnhof und die Stadt Lipova waren, gab. Der Plan war, in Lipova etwas Essbares zu finden und danach den Zug um kurz nach zwei zurück nach Temeswar zu erwischen. Irgendwie schien die Aussicht auf einen langgezogenen Besuch des Stadtmuseums, das zudem im Vorbeigehen sehr verrammelt wirkte, wenig verlockend. Die Stadt wirkte nicht so, als gäbe es irgendwo etwas vernünftiges zu essen. Ausgehungert tigerten wir umher. Die zwei Kneipen, an denen wir vorbeikamen, sahen ganz schön abgeranzt aus, aber dann tauchte ein modern wirkendes Restaurant auf. Durch Rauchschwaden kämpften wir uns zu einem freien Tisch in der ganz in Lila und Flieder gehaltenem Kneipe. Pizza klang gut, obwohl man in Rumänien nie sagen sollte, dass man da eigentlich nicht viel falsch machen kann. Denn standardmäßig ist rumänische Pizza ohne Tomatensoße, dafür wird Ketchup dazu gereicht. Wer's mag. Aber die Pizza in dem seltsamen Lokal war erstaunlich gut und so konnten wir auch die lange Wartezeit auf unsere Limo am Ende verzeihen. Gut gesättigt bestiegen wir den Zug zurück nach Temeswar und schaukelten im Schneckentempo zurück. Diesmal war es zu kalt und nicht zu warm im Zug und zum Teil fanden sich die gleichen Fahrgäste wie auf der Hinfahrt ein. Es waren keine anderen Wanderer unterwegs gewesen, aber die Omas und Opas, Familien und Männer hatten wohl Besorgungen in anderen Orten gemacht oder Verwandte besucht.
Ein Besuch der Burgruine Șoimoș lohnt sich meines Erachtens sehr und ich werde bestimmt, wenn es sich anbietet, mal bei schönem Wetter wiederkommen. Die Zugverbindung mit der privaten Bahngesellschaft Regiotrans ist jetzt auch nicht so schlecht und eine einfache Fahrkarte kostet weniger als 2,50 Euro (Hier ist der Fahrplan, der Bahnhof heißt Radna). Ob Lipova bei schönerem Wetter sehenswert ist, kann ich nicht sagen, aber wenn man es mit Kloster und Burg verbindet, schadet ein Abstecher sicher nicht.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen