Samstag, 30. November 2013

Der Winter kommt, ich gehe.

Der erste Schnee ist gefallen und hat den Ausblick aus dem achten Stock noch ein wenig reizvoller gemacht, zumindest für einen halben Tag. Alles weißgepudert so weit das Auge reichte. 



Ich fand es toll, durch den Schnee zu stapfen, denn wie ich finde, muss man dafür nur warm genug angezogen sein, schon ist es weitaus weniger unangenehm als zum Beispiel regnerisches Wetter. Leider hielt der Schnee wirklich nicht lange und es war auch kaum genug, als dass es richtige Schneewehen und dergleichen gegeben hätte. 


In Temeswar wird am Sonntag, am rumänischen Nationalfeiertag und zugleich erstem Advent, der Weihnachtsmarkt eröffnet. Als ich heute mit dem Taxi zum Bahnhof fuhr, sah ich schon die ersten Buden auf dem Opernplatz, die dann wohl ab Sonntag ihren Betrieb aufnehmen. Ich bin neugierig, was es gibt, muss mich aber gedulden – zunächst steht ein Kurzbesuch zuhause, ein noch kürzerer Aufenthalt in München und ein Journalistenaustauschprogramm in Bonn auf dem Programm. Deswegen werden es wohl eher deutsche Weihnachtsmärkte sein, denen ich spontan einen Besuch abstatte, als rumänische, die gern europäische wären.

Apropos, die gern europäische wären. Für mich hätte es wohl durchaus Charme, ein buntes Gemisch aus improvisierten Holzbuden, dazwischen kitschige Beleuchtung, die in allen Farben strahlt und blinkt, eine ganze Menge Wurststände mit soviel toten Schweinen, wie wohl alle McDonalds-Lokale in ganz Rumänien zusammen nicht verkaufen und dazu natürlich pappsüßer Glühwein. Kürtöskalacs, die Striezelkuchen und Langos stelle ich mir dazu noch vor, vielleicht gibt es ja auch Schokoäpfel und gebrannte Mandeln? In meiner romantisierten Vorstellung sitzt in jedem Bretterverschlag eine Oma oder ein Opa und das tote Schwein, dass als Wurst über ihren Köpfen hängt, hatte einen Namen. 


Ich bin wirklich gespannt, wie also Weihnachtsmarkt auf Balkanisch wohl aussehen mag. Und dabei begehe ich zwei Fehler – Temeswar ist nicht Balkan. Temeswar ist fast noch stärker Mitteleuropa als es Cluj war, so wenigstens mein Eindruck. Und einen balkanischen Weihnachtsmarkt gibt es nicht – die Weihnachtsmärkte in Rumänien sind Imitationen der Märkte in Köln, Dresden, Nürnberg oder Wien. In der Zeitung habe ich gelesen, man hat neue Buden für die Stände gekauft, über zwanzig Stück. Damit der Weihnachtsmarkt ein einheitlich-ästhetisches äußeres Erscheinungsbild erhält – wie in Westeuropa eben, begründete die Stadtverwaltung. Die Südosteuropaverliebte senkt an dieser Stelle enttäuscht den Kopf – wenn jede Innenstadt, jede Shoppingmall und jeder Weihnachtsmarkt am Ende gleich aussieht, warum dann überhaupt noch reisen?

Wie sich der Weihnachtsmarkt am Ende tatsächlich anfühlt, berichte ich ab Mitte Dezember, so lange müsst ihr euch gedulden, weil ich mich – zum Teil ganz schön unwillig – in der deutschen vorweihnachtlichen Konsumlandschaft tummele.

Freitag, 15. November 2013

Kulturkarambolage in meinem Kopf

Es ist mal wieder Zeit für ein kurzes Zwischenfazit. Während ich gerade an meinem winzigen Ersatzschreibtischchen sitze und das tippe, blicke ich über das goldrosa getönte Temeswar. Die Aussicht ist phänomenal, aber wie sind die Aussichten ansonsten so?

Der Kulturschock hat eingesetzt. Oh ja, ich würde wirklich gern brunchen gehen. Auch wenn ich das in Deutschland manchmal monatelang nicht mache, möchte ich es jetzt, wo es hier nicht geht, natürlich seit Wochen... Wenn es also nicht geht, dann wenigstens eine Tüte frische Bäckerbrötchen morgens. Was gäbe ich um einen Bäcker, der diese ganzen spießigen deutschen Backwaren hat, morgens ab sechs und nicht nur das fettige, süße oder salzige Gebäckzeugs, dass es hier an jeder Ecke als Fastfood gibt. Ich habe mich immer drüber lustig gemacht, in der Kulturschockkrise hat sie mich dennoch eingeholt - die Sehnsucht nach dem Vollkornbrot. Aber dem konnte nun zum Glück abgeholfen werden. Damit habe ich Tabus gebrochen - nach deutschen Lebensmitteln suchen und im deutschen [puh, ist der Laden eigentlich deutsch?] Discounter kaufen.

Ich war inzwischen noch viel unterwegs, in kleineren Orten, in Hauptstädten - ich entdecke das Banat. Es ist ein schöner, wenn auch leider sehr flacher Landstrich. Ich kann es kaum erwarten, das Auto hier zu haben und weiter zu entdecken. Auch mal einen Ort anzufahren, den man mit dem Zug nicht erreicht. Schon jetzt schaffe ich es trotzdem ganz gut, die Landkarte, die in meiner Küche hängt, mit kleinen "Ich war hier"-Fähnchen zu füllen.


Ansonsten versuche ich mich zu integrieren. Kaufe dieses herrliche rumänische Klopapier, obwohl ich weiß, dass es Sch**** ist, aber weil ich unbedingt rumänisch handeln will. Nur dass die Rumänen in ihrer Mehrheit Marke Extraplüsch mit Frühlingswiesenduft kaufen, was aber nicht mit meinem ökologischen Gewissen vereinbar wäre.

Aber es wird. Ich lerne, flexibler zu sein. Ich gewöhne mich an manche Ungewöhnlichkeiten - dass ich immer sofort die Privathandynummer einer Person kriege, wenn ich sie kontaktieren soll zum Beispiel und da dann auch ruhig Freitagabend anrufen soll. Aber da hier keiner auf Emails antwortet, ist das eben der einzige machbare Weg und da auch ich abends beruflich angerufen werde, ist es durchaus üblich.

Ich darf jetzt hier miterleben, wie sich für die nächsten zwei Jahre die Innenstadt in ein Schlachtfeld verwandelt. Vor meiner Haustür wird umgegraben - das dabei auch die gesamte innere Altstadt in eine Fußgängerzone umgewandelt werden soll, ist zwar ein positiver Nebeneffekt, wird die Parksituation aber drastisch verschlimmern und damit erstmal für sehr viel Chaos sorgen. Außerdem wird das Bega-Ufer saniert, was zur Folge hat, dass meine Joggingstrecke (ich berichtete von tiefen Schlaglöchern und Verwerfungen der Gehwegplatten, die aus dem nichts auftauchen) nicht mehr existent ist. Aber ich habe mich nochmal der Veränderung gestellt, habe meine eigenen eisernen Standpunkte hinterfragt und mich entgegen jedes Vorsatzes im Fitness-Studio angemeldet. Dazu nicht in irgendeinem, sondern, und zwar eigentlich nur, weil es direkt um die Ecke ist, im schicken Vier-Sterne-Hotel im Keller. Bald seh ich aus wie die Ioana oder Alexandra oder Roxana im Video. Und ja, natürlich werde ich nur geschminkt hingehen und ja, mich auch so lasziv im Jacuzzi räkeln.



Viel gibt es nicht anzufügen, denke ich. Ich schließe Kompromisse, ich will hier schließlich längere Zeit wirklich leben. Und eine Mischung aus halbwegs vernünftigem Brot ab und zu und den sauren Apfel, im Fitness-Studio für ein bisschen Bewegung sorgen zu müssen, ist durchaus vertretbar.

Dienstag, 12. November 2013

Ein regnerischer Sonntag - lass uns rausgehen!


Letzten Samstag gärte so der Wunsch vor sich hin, die Stadt zu verlassen. Radna, hatte irgendjemand mal gesagt, da sollte ich mal hin. Hm, ich stehe jetzt nicht so auf Klöster, aber dann gab es da ja auch noch die Burgruine. Und das war schon eher nach meinem Geschmack.
 
Die Polizisten im Ort haben Humor - wenn man ihren Müllcontainer benutzt,
zahlt man 40 Euro Strafe und ihr Tor sollte man wohl auch nicht blockieren.

Um 7:44 fuhr der Zug bereits los und das an einem Sonntagmorgen. Um das Unglück perfekt zu machen, hatte auch noch der Fornetti-Imbiss mit den kleinen leckeren Gebäckteilchen um diese Zeit noch geschlossen. Bewaffnet mit einer Tüte Minicroissants vom Kiosk konnte die Reise dennoch losgehen. In einem überhitzten Zug schaukelten wir zwei Stunden dahin, ehe sich die Glockentürme der Klosterkirche Maria Radna ins Sichtfeld bewegten. "Wird da gerade gebaut?", war meine erste Feststellung, als ich die eingerüstete Kirche sah. Nun ja, bei dem regnerischen Wetter verschlechterte das Baugerüst den ohnehin trüben Anblick auch nicht mehr viel. Kurz rein, die Streunerhunde, die sich uns angeschlossen hatten, mussten draußen bleiben, wieder raus, da waren sie wieder. Viel gibt es nicht zu sehen, wenn man sich weder besonders für Kirchenarchitektur noch für Religion interessiert. Mir dünkte, dass wir wohl kaum die Zeit bis zum Zug um kurz vor fünf totschlagen könnten in diesem ereignislosen Ort.


Als nächstes ging es zur Festung Șoimoș oder zu den Überbleibseln ebendieser. Immer an der Hauptstraße lang war zwar ein praktischer Tipp, wenn man irgendeine Art von fahrbarem Untersatz hatte, aber ohne einfach nur nervig. Das einzige gute daran war, dass wir ein Gotteshaus unbekannter Provinenz - Pfingstler, Zeugen, Scientologen? - sahen, vor der eine Menge Autos geparkt waren. Schien ziemlich populär zu sein, was man von der Klosterkirche zum Zeitpunkt unseres Aufenthalts da nicht sagen konnte. Man hörte auch den Gesang aus dem futuristischen Holz-und-Beton-Bau, es erschien irgendwie gemütlich und einladend. Nicht so sehr die zum Teil zusammenfallenden Häuser am Straßenrand, die zwar sehr schön aussahen, aber so wirkten, als würde es durch jede Ritze pfeifen bei diesem Wetter. Wir gingen also weiter, duckten uns, wenn LKWs uns Dreckwasser ins Gesicht peitschten und marschierten brav im Entenmarsch hintereinander abwechselnd auf schmalen Fußwegen vor Häusern und dem Randstreifen. Nach einer gefühlten Ewigkeit hatten wir das Ziel fast erreicht. Ich brauchte dringend Schokolade nach so viel Anstrengung und das gab uns die Gelegenheit, bei dem Lebensmittelladen am Fuße der Festung noch mal sicherheitshalber nach dem Weg zu fragen.



Der Weg war unbefestigt, steil und zum Teil ganz schön rutschig. Ich fluchte so vor mich hin, war dann aber doch sehr froh, die Qualen auf mich genommen zu haben, als wir oben waren. Der Ausblick war fantastisch. Die Burg Șoimoș war fantastisch. Ich wundere mich noch jetzt, wer wohl daran immer mal Ausbesserungen gemacht hatte, wann und wie sie zuletzt genutzt wurde und warum sich Ziegel und Beton neben ansonsten aus Bruchstein bestehenden Mauerresten finden. Laut der Internetseite ist die Burg seit 1788 verlassen und in den 1970er Jahren wurden die letzten Reparaturarbeiten gemacht, um die Ruine zu erhalten.





Nach reichlichem Besichtigen, Herabschauen und Fotos machen, begann der Abstieg, der auf nicht minder steilen Wegen erfolgte. Nach nochmaligem Nachfragen im Lebensmittelladen stellte sich heraus, dass es einen anderen Weg als den an der Hauptstraße zurück zum Ausgangspunkt, wo der Bahnhof und die Stadt Lipova waren, gab. Der Plan war, in Lipova etwas Essbares zu finden und danach den Zug um kurz nach zwei zurück nach Temeswar zu erwischen. Irgendwie schien die Aussicht auf einen langgezogenen Besuch des Stadtmuseums, das zudem im Vorbeigehen sehr verrammelt wirkte, wenig verlockend. Die Stadt wirkte nicht so, als gäbe es irgendwo etwas vernünftiges zu essen. Ausgehungert tigerten wir umher. Die zwei Kneipen, an denen wir vorbeikamen, sahen ganz schön abgeranzt aus, aber dann tauchte ein modern wirkendes Restaurant auf. Durch Rauchschwaden kämpften wir uns zu einem freien Tisch in der ganz in Lila und Flieder gehaltenem Kneipe. Pizza klang gut, obwohl man in Rumänien nie sagen sollte, dass man da eigentlich nicht viel falsch machen kann. Denn standardmäßig ist rumänische Pizza ohne Tomatensoße, dafür wird Ketchup dazu gereicht. Wer's mag. Aber die Pizza in dem seltsamen Lokal war erstaunlich gut und so konnten wir auch die lange Wartezeit auf unsere Limo am Ende verzeihen. Gut gesättigt bestiegen wir den Zug zurück nach Temeswar und schaukelten im Schneckentempo zurück. Diesmal war es zu kalt und nicht zu warm im Zug und zum Teil fanden sich die gleichen Fahrgäste wie auf der Hinfahrt ein. Es waren keine anderen Wanderer unterwegs gewesen, aber die Omas und Opas, Familien und Männer hatten wohl Besorgungen in anderen Orten gemacht oder Verwandte besucht.



Ein Besuch der Burgruine Șoimoș lohnt sich meines Erachtens sehr und ich werde bestimmt, wenn es sich anbietet, mal bei schönem Wetter wiederkommen. Die Zugverbindung mit der privaten Bahngesellschaft Regiotrans ist jetzt auch nicht so schlecht und eine einfache Fahrkarte kostet weniger als 2,50 Euro (Hier ist der Fahrplan, der Bahnhof heißt Radna). Ob Lipova bei schönerem Wetter sehenswert ist, kann ich nicht sagen, aber wenn man es mit Kloster und Burg verbindet, schadet ein Abstecher sicher nicht.  

Samstag, 9. November 2013

Unterwegs in Städten mit B

Bezauberndes Belgrad
 Die Post-Frequenz hat stark abgenommen - das hängt zum einen damit zusammen, dass ich Besuch hatte, zum anderen arbeite ich gerade relativ viel. Ich war in Budapest und Belgrad, ich habe Zeit mit ganz wunderbaren Menschen verbracht und ich freue mich, jetzt eineinhalb Tage frei zu haben. Vielleicht schaffe ich in der Zeit ja ein Update.

Buntes Budapest