Sonntag, 27. Januar 2013

Wart ihr schon mal in Magdeburg?

Es war kalt - auch dieser Hase fror wohl an den Ohren.

Diese Frage stellte sich, als wir Samstagmittag auf der Autobahn Richtung Norden fuhren. Eine Freundin feierte ihre Einzugsparty und wir hatten beschlossen, hinzufahren. Etwa 450km weit war es weg und mit Regionalzügen hätte es 7,5 Stunden gedauert hinzukommen – schnell war klar, dass wir doch lieber mit dem Auto fahren wollten. Und genau so günstig wie Zug fahren war es außerdem, sogar noch ein wenig billiger, da wir bis Leipzig noch eine weitere Mitfahrerin hatten. 

Wir - das heißt drei wildentschlossene Osteuropastudentinnen - fanden uns am Samstagvormittag bei eisiger Kälte zusammen und tuckerten mit dem tapferen Uraltclio gen Norden. Vorher sammelten wir noch die Mitfahrerin ein, die sich mit dem Bus verfahren hatte und so nicht am vereinbarten Treffpunkt war. Während wir die ganze Zeit über Studium und gemeinsame Freunde schwatzten, strickte sie auf der Rückbank. Und nein, niemand war vorher schon mal in Magedburg gewesen. 
Quelle: s-bahn-forum.de
Die Mitfahrerin setzten wir dann in Leipzig in der Nähe des Frachtflughafens an einer surreal anmutenden S-Bahn-Station irgendwo im nirgendwo ab. Die Haltestelle war nur etwa einen Kilometer, wahrscheinlich 500m Luftlinie, von der Autobahn entfernt und weithin zu sehen - eine metallene Fußgängerbrücke, die total fehlplatziert wirkte inmitten von schneebedeckten Feldern, denn ansonsten gab es dort wirklich nichts. Wie man hinkam, war auch nicht so richtig klar, da es scheinbar keinen Zufahrtsweg gab. Schließlich führte ein Feldweg bis auf ein paar Meter heran, der weder geräumt noch gestreut war, und beim Einbiegen konnte ich mir es nicht verkneifen, ein klein wenig zu scharf einzuschlagen und ein klein wenig mit den Reifen zu schlingern. Es war ja weit und breit nichts, was zur Gefahr hätte werden können und ich machte es so vorsichtig, dass wir nicht im Graben landen konnten. 

Nur noch zu dritt ging es weiter nach Magdeburg, noch etwa eine Stunde trennten uns von unserem Ziel. Wir parkten das Auto an der Elbe in der Nähe des Doms und machten uns auf, um selbigen zu besichtigen. Da hatten wir Glück, wir waren kurz vor vier da und um vier warf man uns freundlich heraus und schloss den Dom. Vorher konnten wir und auf den Ausstellungstafeln noch mit der Geschichte der Magdeburger Innenstadt ein klein wenig vertraut machen. Die Innenstadt wirkt sehr weitläufig mit großen Plätzen und Boulevards, die eher niedrigen Häuser, die auf den ersten Blick nach Gründerzeitbauten aussahen, waren eher spärlich verteilt und immer wieder von moderner und postmoderne Architektur unterbrochen. Wir nahmen zu Recht an, dass Magdeburg im Zweiten Weltkrieg stark zerstört worden war, außerdem, dass der Staatssozialismus für weiteren Kahlschlag gesorgt hatte. Anscheinend war die weitläufige Architektur mit den riesigen Freiflächen aber kein Ergebnis von Abriss, sondern historisch so entstanden. 

Es war furchtbar kalt und wir froren sehr, so dass wir, nur noch bis zum Hundertwasserhaus gingen, der "Grünen Zitadelle", wie es heißt und uns dort im Café "Alt-Magdeburg" niederließen und Waffeln und Kuchen genossen. Wir ergatterten das einzige Sofa des Lokals, in dem wir gute dreißig Zentimeter einsunken und blieben praktisch, bis der Laden schloss. Genauer genommen blieben wir, bis die Kellnerinnen geschäftig begannen, aufzuräumen, also eine Viertelstunde vor Ladenschluss, was wir wohl richtig als Aufforderung zu gehen interpretierten. Diese etwas seltsame Gastfreundlichkeit erschloss sich uns nicht so richtig, wir wollten aber eh noch ein wenig von Magdeburg sehen, jetzt wo wir uns aufgewärmt hatten. 




Der Alte Markt war schon vorher ein mögliches Ziel gewesen, als wir aber in unsere Mäntel schlüpften und über dem roten Sofa ein riesige Bild vom "Alten Markt" umd 1924 oder 1927 erblickten, mit einem Reiterstandbild Ottos I. (wir vermuteten zumindest, dass der Reiter Otto war) im Vordergrund, beschlossen wir tatsächlich, dorthin aufzubrechen. Die Mission "Otto suchen" war dann etwas verzwickt. Zunächst hängten wir uns an einen Stadtrundgang, der prompt 150m weiter endete und entdeckten so einen Brunnen, in dem unsere Reisegenossin aus Bayern gern ein Eisbad genommen hätte. Leider fand sie nur Schnee darin. Wir gingen also weiter, und trafen bald auf ein Schild, dass uns die Richtung zum Alten Markt wies. Wir folgten der sozialistisch geplanten Allee bis zur Oper, nur fanden wir keinen Otto. Bloß gut, dass in dem Moment unsere Magdeburger Freundin anrief, um zu fragen, wo wir steckten und uns erklärte, dass wir zu weit gegangen wären. Also zurück. So sahen wir schließlich auch die Plastik mit den Magdeburger Halbkugeln, aber das war nicht der Otto, den wir suchten. In Magdeburg hat man es nämlich mit gleich zwei bedeutenden Ottos zu tun - Otto von Guericke, eben der Herr mit den Halbkugeln, die aufgrund des Vakuums keine zehn Pferde trennen konnten und den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, Otto I.
Quelle: akpool.de
Auch den fanden wir schließlich, er war aber leider viel unbedeutender als gedacht, das Bild war wohl aus einer geschickten Perspektive aufgenommen. Die sozialistischen Stadtplaner hatten es meiner Meinung nach sehr gut geschafft, die traditionellen Mittelpunkte der Stadt durch die sozialistische Planungsachse zu ersetzen, die Nachwendezeit hatte außerdem eine Unzahl von Einkaufzentren und Billigläden hinzugefügt. Konsumieren konnte man in Magdeburg sicher gut, allerdings samstags nur bis 18.00 Uhr, dann spätetestens schlossen alle Läden, wenn sie nicht schon seit ein paar Stunden geschlossen waren. 

In dem Telefonat hatten wir außerdem erfahren, dass eine andere Freundin aus Prag zu uns stoßen würde und wir beschlossen, sie mit dem Auto vom Bahnhof abzuholen. Wir hatten noch eine halbe Stunde bis zur Ankunft des Zuges, scheiterten allerdings trotzdem. Zum einen waren wir einfach viel zu weit gelaufen und mussten so eine ordentliche Strecke zurück zum Auto gehen, zum anderen war der Bahnhof nicht ausgeschildert. Es war schließlich das einfachste, auf den Magdeburger Ring zu fahren und von dort zum Bahnhof, und selbst dabei verfuhren wir uns noch, so dass wir an einem Punkt in einer dunklen Einfahrt standen und das Auto schnell wenden mussten, ehe sich irgendwelche Gestalten, die sonst nur in Hollywoodthrillern zu finden sind, nähern konnten. 
Nach einer Odyssee standen wir schließlich auf einem Parkplatz am Bahnhof und nach endlosen Telefonaten fanden wir auch unsere Mitstudentin, die aus Prag angereist war. Der Weg zur Einzugsfeier war ein leichtes. Ich parkte schließlich noch virtuos in einer viel zu kleinen Lücke ein, und schon standen wir in der schicken 3-Zimmer-Wohnung unserer Freunde und präsentierten unsere kulinarischen Mitbringsel. 

Die Party war super, auch wenn sich die Gäste wie so oft leider nicht so recht mischen wollten, unterhielt ich mich auch mit ein paar "Fremden". Das Buffet war ausgezeichnet. Es gab unter anderem zwei Sorten Nudelsalat, Kartoffelsalat, gebratene Auberginenscheiben, Tacos mit zweierlei Dip, Rote-Beete-Suppe, zwei Sorten Muffins und zwei Sorten Blätterteigtaschen, Brownies, Mousse au Chocolat und Pudding. Außerdem Bowle, Bier und Wein, zu späterer Stunde für die Osteuropastudentinnen noch rumänischen Pflaumenschnapps und Wodka mit Wurst und sauren Gurken. Es war wunderbar, mal wieder mit all meinen Mädels zusammenzusitzen und zu quatschen. Als die anderen noch in eine Disko gingen, schlossen wir uns nicht an, wir waren zu vollgefressen, zu fertig von der Fahrt und zu wenig gewillt, uns in eine Art Dorfdisko zu begeben. Das machte aber nichts, wir quatschten noch bis etwa drei Uhr und machten später sogar noch gemeinsam den Abwasch, eh wir uns im Wohnzimmer auf die Luftmatratzen und das Sofa verteilten. 

Am Morgen gab es noch ein großes gemeinsame Brunch mit Brötchen und Aufstrichen, Käse und Wurst sowie Resten vom Vortag, wie Gebäck und Salat. Erneut waren unsere Bäuche zum Bersten gefüllt und so gestärkt begaben wir uns auf den Rückweg. Wir nahmen unsere Mitstudentin, die zurück nach Prag musste bis Leipzig mit. Der Plan war, sie an ebender S-Bahn-Station im Nirgendwo abzusetzen wie das andere Mädel auf der Hinfahrt. Nach dem Auftanken merkten wir auf der Autobahn, dass es zeitlich ziemlich eng werden würde mit dem herausgesuchten Zug, aber ich fuhr meinen kleinen Clio tapfer mit fast Höchstgeschwindigkeit, und was wir in einem normalen Tempo niemals in einer Stunde geschafft hätten, machte dieses Wundergefährt möglich. Während alle sich noch auf den letzten Kilometern wunderten, wie der alte Wagen das mit vier Insassen packte, trat ich weiter aufs Gaspedal, denn es blieben nur noch wenige Minuten. Nach der Abfahrt schaltete eine Ampel direkt vor uns auf Rot - es wurde immer enger. Dann wieder die Schleife zum DHL-Hub, um zur Niemandsland-S-Bahn-Station zu kommen, wieder der vereiste Feldweg, bis auf ein paar Meter ran an die Absperrschranke, die "Betreten verboten - Bahngelände" verkündete - Rucksack aus dem Kofferraum, nochmal gedrückt, die Bahn fährt ein, ein Ruf "Du schaffst das!" rüber zum Bahnsteig und beim Wenden nochmal der Blick auf die Haltestelle - kein grauer Mantel mehr zu sehen. Sie muss mitgefahren sein. Ich hoffe sehr, dass sie ihren Anschlusszug in Leipzig bekommen hat. Wir fuhren die restlichen 300km in einem sehr ruhigen Tempo weiter. Ich hatte meinem treuen Gefährten ein bisschen viel zugemutet und war froh, dass ich jetzt weniger angespannt spazierenfahren konnte. Ein paar Stunden später setzte ich alle wieder ab, stellte den Clio, den ich insgeheim Karl taufte, in die Tiefgarage bei der Freundin, nahm mein Fahrrad, dass ebendort stand und radelte nach Hause.

Donnerstag, 24. Januar 2013

Wladimir Kaminer - eine literarische Reise mit vielen Abstechern

Wladimir Kaminer ist ein großer Erzähler. Er schafft es, in zwei Stunden so viel zu erzählen, dass einem beim Herausgehen angenehm wattig der Kopf schwirrt und man unbedingt auch einen Onkel Wanja, schwäbische Nachbarn und einen Garten in der brandenburgischen Pampa haben will. Noch viel stärker ist Wunsch nach einer Russendisko, spätestens am nächsten Wochenende.

Kaminer begann damit zu erzählen, wie er als Repräsentant der deutschen Kultur und Literatur überall auf der Welt - von Rio bis Sankt Petersburg - auf Buchmessen eingeladen wird und Russendiskos ausrichten muss. So skurril wie das klingt, ging es dann weiter mit Texten aus seinen Büchern und unveröffentlichten Essays, immer wieder unterbrochen von ganz langen Erzählpassagen. Dabei passierte es schon mal, dass er den Text, den er gerade las, in dem Fall "Deutsche Männer" mehrmals unterbrach, um über irgendetwas relativ Abwegiges zu schwadronieren und dann wieder zu den deutschen Männern zurückzukehren, die wohl mit ihrer fehlgeleiteten bzw. fehlenden Paarungsinitiative nie eine Frau abbekommen würden.

Manchmal fragte ich mich, ob das tatsächlich sein reales Leben war, was er da erzählte und empfand ein bisschen Mitleid mit seinen pubertären Kindern, deren Leben er unweigerlich auch zu Literatur verarbeitete, sehr unterhaltsamer immerhin. Aber es ist im Endeffekt total egal, ob es Onkel Wanja, der auf jeder Fotografie seines Albums aus einem anderen Grund fehlt, tatsächlich gibt oder nicht - solange sich Kaminer literarisch an den Bahnsteig begibt, um ihn vom Zug aus Moskau abzuholen und mit ihm abenteuerlich durch Berlin zu stolpern.

Ich hatte natürlich wie fast alle Zuhörer auch den unmittelbaren Impuls, mir wenigstens drei seiner Bücher zu kaufen, denn das ganze war eine ganz wunderbare Werbeveranstaltung für seine Werke. Ich ließ es dennoch sein und begnügte mich mit Plakaten, für die ich noch einen schönen Platz finden muss. Und zwar nicht, weil ich die Bücher nicht verschlingen würde, sondern weil ich mir dachte, dass ich sie von ihm vorgelesen bekommen möchte, mit diesem absurden russischen Akzent, der immernoch unüberhörbar ist und die Texte erst authentisch und noch einmal ein paar Nummern witziger macht. Also werde ich mir das ein oder andere Hörbuch von Herrn Kaminer besorgen.

Hoch muss ich ihm auch anrechnen, dass seine Show sehr authentisch wirkte und er nicht den Eindruck machte, das gleiche einstudierte Programm bei jeder Lesung abzuspulen. Zudem präsentierte er eine feine Auswahl seines Schaffens - von frühen Texten bis hin zum neuesten Buch und noch unveröffentlichten Kurzgeschichten und kommentierte diese auf sehr unterhaltsame Weise. In jedem Fall weiterzuempfehlen!

Dienstag, 1. Januar 2013

Ein gutes altes Jahr, ein gutes neues Jahr

Das letzte Jahr war durchwachsen, es gab einige harte Momente, aber insgesamt war es ein großartiges Jahr. Ich bin viel herumgekommen, dass ich die Möglichkeit dazu hatte war eine glückliche Fügung. Ich habe ganz viel gelernt dieses Jahr und bin soweit vorangekommen. Ich weiß immer noch nicht genau, was ich will, aber das ist nicht mehr so schlimm. Das Wichtigste war wohl die Erkenntnis, dass es alles irgendwie klappt. Ich habe viele neue Ideen und Impulse bekommen und neue Sachen ausprobiert, die ich unter anderem Umständen vielleicht nicht gemacht hätte. Ich habe Freundschaften geschlossen und intensiviert, eine Menge Menschen kennen und schätzen gelernt, die wohl zu den Besten auf dieser Welt gehören. Meine Leidenschaft für Musik ist wieder aufgekeimt und obwohl ich immer noch ganz schön beschränkt bin in meinem Geschmack, habe ich mich doch auch auf neue Sachen eingelassen. Ich war wieder viel bei Konzerten, ich habe wild und selbstvergessen getanzt. Ich bin meine Abschlussarbeit angegangen und wie auch immer es am Ende wird, ich weiß, dass ich es schaffen kann, wenn ich es einfach anpacke.


Hier eine schnelle Jahreszusammenfassung in Bildern...